MINT-Vereinbarung: Dokument des Versagens
Darum geht es: Wissenschaftsministerium und Landeshochschulkonferenz wollen die hohe Zahl der Studienabbrecher in MINT-Fächern senken. Dazu haben beide Seiten eine Vereinbarung unterzeichnet. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Über 350.000 Besucher kamen im Jahr 2015 zur Ideenexpo nach Hannover. In knapp zwei Wochen startet die nächste Ideenexpo auf dem Messegelände. Die hohe Zahl der Besucher macht jedes Mal wieder deutlich: Es gibt durchaus ein großes Interesse bei den Schülern an Naturwissenschaften und Technik. Dennoch sind wir offenbar nicht in der Lage, genügend MINT-begeisterte junge Menschen zu erfolgreichen MINT-Studenten zu machen. Irgendwo zwischen Null-Bock-auf-Mathe-Unterricht in der Schule und ersten Frusterlebnissen an der Hochschule gehen zu viele begeisterungswillige und begeisterungsfähige junge Leute verloren.
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Die gestern von Wissenschaftsministerium und Landeshochschulkonferenz unterzeichnete Vereinbarung wird damit zu einem Dokument des Versagens. Dass ein Papier mit so profanen Punkten wie „abgestimmten Informationsvideos“ oder „Studieneingangskoordinatoren“ überhaupt nötig und dann auch erst im Jahr 2017 unterzeichnet wird, macht nur das jahrelange Versagen von Hochschulen und Politik deutlich. Die Hochschulen „können daran arbeiten, die hohen Abbrecherquoten zu senken, indem sie entsprechende Unterstützungsangebote wie Brückenkurse oder Mentoringprogramme anbieten“, heißt es in einer Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, der darin zum Beispiel Schul-/Hochschulkooperationen oder sogar MINT-Konzepte für eine Fernsehserie aufzählt. Das Papier ist aus dem Jahr 2011. Schon wieder sind sechs Jahre vergangen. An den Abbrecherquoten hat sich nicht viel verändert.
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Die Kritik am Zeitpunkt macht die zwischen Ministerium und Hochschulkonferenz vereinbarten Maßnahmen nicht falsch. Natürlich ist eine bessere Unterstützung von Erstsemestern und eine bessere Beratung von jungen Menschen vor der Aufnahme des Studiums sinnvoll. Zu denken gibt allerdings die Kritik von Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Klajic an der Schulbildung. Die Kritik der Hochschulen an den Mathematikkenntnissen der Schüler bezeichnete die Ministerin als berechtigt. Es habe sich in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle ein Curriculum entwickelt, welches vielleicht doch an den Anforderungen für ein Studium vorbeigehe, sagte sie. Das Curriculum legen aber nicht die Schulen fest. Auch hier hätte eine Landesregierung, egal welcher Couleur, schon längst das Heft des Handelns in die Hand nehmen können.
Wenn wir Deutschen etwas machen, dann machen wir es gründlich. Und dann kann es auch einmal länger dauern. Die Herausforderung der Digitalisierung liegt aber nun einmal darin, dass uns die Veränderungen in einem ungewohntem Tempo erreichen. Das kann man beklagen, aber man kann es nicht negieren. Insofern ist es fahrlässig, dass die hohe Zahl der Studienabbrecher in den MINT-Fächern über zu viele Jahre hinweg politisch nicht angepackt wurde. Bräsigkeit hat keine Zukunft mehr. Es ist deshalb sehr zu hoffen, dass die Vereinbarung nun positive Folgen auf die Abbrecherquote haben wird. Eine weitere Phase der Talent-Vergeudung kann sich dieses Land der Ideen nicht leisten.