Ministerpräsident Weil erhöht Druck auf EU: Wir brauchen Ausnahmen für unsere Landwirtschaft
Die Proteste der Bauern gegen ihrer Meinung nach übertriebene Auflagen der EU bekommen nun einen prominenten Fürsprecher. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte gestern, er habe Verständnis für die Sorgen und Nöte der Landwirte. Bei der Düngeverordnung sei die EU-Kommission „der Herr des Verfahrens“. Die in Brüssel vertretene Linie mache ihm derzeit große Sorgen. „Es stimmt zwar, dass Deutschland seit 1991 Zeit hatte, die Nitrat-Richtlinie für ein weniger belastetes Grundwasser umzusetzen. Aber ich begreife nicht, dass man in Brüssel nun meint, am deutschen Beispiel ein Exempel statuieren zu müssen.“
Er plädiere daher dafür, die Vorgaben zur Einschränkung der Düngung flexibler als bisher vorgesehen zu handhaben. Das Grünland beispielsweise solle aus der vorgegebenen pauschalen 20prozentigen Kürzung der Düngung in „roten Gebieten“ ausgeklammert werden. „Wir müssen doch die Hinweise ernst nehmen, dass eine reduzierte Düngung die Pflanzen eher schwächt und diese dann weniger CO2 aufnehmen können. Also wirkt die Vorgabe kontraproduktiv“, sagte Weil. Mehr Differenzierung sei auch nötig, wenn es um die Auflagen für das Bewirtschaften der „roten Gebiete“ gehe, also der Zonen, für die das Grundwasser-Messsystem überhöhte Nitratwerte angezeigt hat. Es mehren sich seit geraumer Zeit Kritiker, die diese Regelung für ungerecht halten: Ein einziger Brunnen mit überhöhten Werten in einem riesigen Areal könne bewirken, dass für den gesamten Grundwasserkörper, der sich über zig Kilometer ausdehnen kann, die scharfe 20-Prozent-Düngekürzung gilt.
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Vor der entscheidenden Bundesratssitzung am 3. April, in der die Düngeverordnung abgesegnet werden soll, läuft nun eine hektische Konversation zwischen der EU auf der einen, dem Bundesagrar- und Bundesumweltministerium auf der anderen Seite. Es geht um die Frage, welche Vorschrift in der Verordnung die EU hinzunehmen bereit wäre. Erst vor wenigen Tagen soll die EU bemängelt haben, dass die Binnendifferenzierung der von den Bundesländern gemeldeten belasteten Gebiete zu unterschiedlich sei – jedes Land wende sein eigenes Verfahren an. Eine genauere Zuordnung sei aber nötig. In diesem Hinweis sehen niedersächsische Agrarpolitiker nun eine Chance, Brüssel für ein Abweichen von dem bisherigen Weg gewinnen zu können. Bisher sind Grundwassermessungen ausschlaggebend, ein Brunnen mit überhöhten Werten soll dann zu den pauschalen 20-Prozent-Kürzungen der Düngung im gesamten Grundwasserteilkörper gelten, also über Flächen von mehreren Kommunen. Das ist ein sehr grobschlächtiges Verfahren.
Das Thünen-Institut hat ein anderes Modell entwickelt, das anhand der inzwischen verbindlichen Daten (Gülle-Kataster) für jedes Gemeindegebiet detailgenau berechnen kann, wieviel Gülle in den Betrieben anfällt, wieviel davon als Dünger aufgetragen wird, wieviel Tiere gehalten werden und welcher Nitrateinfall über Regenwasser geschieht. Wenn dieses „Basis-Emissionsmonitoring“ Grundlage dafür werden könnte, wie stark jeder Bauer in einem betreffenden Gebiet noch düngen darf, dann wäre das aus Sicht niedersächsischer Experten weitaus gerechter als das bisherige, auf Grundwassermessungen beruhende System. Man könnte dann auch Auflagen für jede Gemeinde in Niedersachsen genau festschreiben – und damit den Unmut vieler Bauern abfedern. Die Frage sei nur, ob es gelingen könne, die EU von diesem „Basis-Emissionsmonitoring“ zu überzeugen – und gleichzeitig auch die anderen Bundesländer, die den Weg im Bundesrat mitgehen müssten. Niedersachsen wäre aber auch bereit, eine „Länder-Öffnungsklausel“ in der Verordnung zu akzeptieren. In diesem Fall könnte jedes Land einen eigenen Weg gehen. Nur: Dagegen wiederum hatte Brüssel Vorbehalte geäußert.
Weil vermisst „nationale Strategie“ zur Zukunft des ländlichen Raums
Ministerpräsident Weil sagte, er vermisse auf Bundesebene „eine nationale Strategie“ zur Zukunft des ländlichen Raumes. Klar sei, dass die Erwartungen zu Tierschutz, Umweltschutz, Artenschutz und Verbraucherschutz steigen – auf der anderen Seite stünden die Landwirte als „sehr kleine Marktteilnehmer“, die nun berechtigterweise nach Zukunftskonzepten fragten. Auch er befürworte die Verringerung der Tierhaltung, aber man könne nicht mit Auflagen beginnen, die vieles einschränkten. Vielmehr komme es darauf an, sich erst Gedanken über die auskömmliche finanzielle Basis der Landwirte zu machen. Ein verpflichtendes Tierwohl-Label nicht nur für den Handel, sondern auch für die Gastronomie weise hier in die richtige Richtung.