Mehr Teppich und weniger Linoleumboden
Darum geht es: Die Gewerkschaft Verdi geht mit der Forderung nach sechs Prozent mehr Geld in die Tarifverhandlungen mit den Ländern. Ein Kommentar von Martin Brüning:
Finanzierbar ist die Verdi-Forderung in der aktuellen Tarifrunde zumindest derzeit wohl allemal. Die Einnahmesituation der Länder ist hervorragend. Und an Verbesserungen für Auszubildende oder die Angleichung des Urlaubsanspruchs von Azubis an den der übrigen Beschäftigten kann man ebenfalls wenig aussetzen. Für die Länder geht es inzwischen aber um mehr als sechs Prozent – es geht um die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und Antworten auf die Frage, wie man künftig genügend Fachkräfte gewinnen will. Dazu muss der Blick deutlich über die aktuelle Tarifrunde hinausgehen.
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Niedersachsens Verdi-Chef Detlef Ahting hat das Problem der Ländern gestern skizziert. Der Wettbewerb um die Fachkräfte von morgen wird immer schärfer. Und die Länder konkurrieren inzwischen in manchen Bereichen nicht mehr allein mit der Privatwirtschaft, sondern auch immer stärker mit Kommunen und dem Bund. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, sollte es zumindest hier keine größeren Gehaltsdifferenzen geben. Das Land weiß, was auf den öffentlichen Dienst zukommt. In den kommenden zehn Jahren verlässt mehr als ein Viertel der Beschäftigten altersbedingt die Verwaltung – der Rundblick hatte bereits im August darüber berichtet.
Für die gesuchten Bewerber spielt das Einkommen eine große, aber nicht die größte Rolle. Eine Umfrage des Bundesarbeitsministeriums unter 5000 Arbeitnehmern ergab, dass die „Sicherheit des Beschäftigungsverhältnisses“ für Bewerber den größten Stellenwert hat, gefolgt vom Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Sogar der Wunsch nach freundlichen Kollegen war noch größer als der nach einem attraktiven Gehalt. Sicherheit und langfristige Perspektiven – die kann das Land durchaus bieten und solle diese Faktoren bei der Suche nach neuen Mitarbeitern in Zukunft noch stärker herausstellen. Umso erstaunlicher, dass die Länder diesen Vorteil mit einer immensen Quote an befristeten Arbeitsverträgen verspielen.
Die Länder werden an zahlreichen weiteren Stellschrauben drehen müssen. Dabei geht es nicht allein um Familienfreundlichkeit und individuelle Förderung. Auch das bauliche Arbeitsumfeld der Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst sollte einmal genauer unter die Lupe genommen werden. Trübes Wasser aus dem Wasserhahn des Wissenschaftsministeriums und verschimmelte Lehrerzimmer wirken auf zahlreiche Bewerber nicht gerade anheimelnd. Der Zustand vieler Gebäude in öffentlicher Hand unterscheidet sich oftmals massiv von den Büros privater Unternehmen und führt vermutlich bei manchem jungen Bewerber zu der Frage, ob man in solchen Räumen nicht nur den Arbeitstag, sondern auch sein Berufsleben verbringen möchte. Um die besten Nachwuchskräfte zu gewinnen, braucht der öffentliche Dienst mehr Teppich und weniger Linoleumboden aus den 60er Jahren.
Anstatt sich in zahlreichen Spezialprogrammen und damit im Klein-Klein zu verzetteln, sollte das Land zeitnah und ressortübergreifend definieren, wie in den kommenden Jahren erfolgreich Fachkräfte gewonnen werden können. Dabei wird es darum gehen, die bereits heute existierenden Vorteile herauszustellen und in Bereichen, in denen der öffentliche Dienst Nachholbedarf hat, attraktiver zu werden. Die demographische Uhr tickt.