Im Landeshaushalt für das kommende Jahr sollen insgesamt 1,7 Millionen Euro bereitgestellt werden, um 25 zusätzliche Pflegekräfte im Maßregelvollzug einstellen zu können. Damit reagiert die Landesregierung auf die seit Jahren ansteigenden Zahlen von drogenabhängigen beziehungsweise sucht- oder psychisch kranken Straftätern, die einen Therapieplatz benötigen. Der Bedarf an Behandlungsplätzen im Maßregelvollzug unterliege laufenden Schwankungen, erläutert ein Sprecher des Sozialministeriums auf Anfrage des Politikjournals Rundblick. Bundesweit gebe es aber einen starken Anstieg. Laut Statistischem Bundesamt sei die Zahl der Anordnungen einer Maßregel von 2006 bis 2017 um bis zu 75 Prozent angestiegen. Auch Niedersachsen sei davon betroffen, heißt es aus dem zuständigen Sozialministerium. Dort habe sich die durchschnittliche Belegung des Maßregelvollzugs in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent erhöht. Derzeit gibt es in Niedersachsen 1231 Plätze in insgesamt zehn Maßregelvollzugseinrichtungen. Seit 2007 sei der Bestand bereits um 18 Prozent erhöht worden, das entspricht einer Erhöhung um 188 Planbetten, berichtet der Ministeriumssprecher. Derzeit prüfe man Möglichkeiten, wie die Zahl der Plätze in Niedersachsen weiter erhöht werden könne.

Ist es eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, wenn im Maßregelvollzug nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen? Niedersachsens Justiz- und Sozialministerium geben da Entwarnung: Zwar gibt es aktuell zu wenig freie Plätze im Maßregelvollzug. Eine Bedrohung für die Bevölkerung gehe davon aber nicht aus, bestätigten Sprecher der beiden Ministerien auf Anfrage des Politikjournals Rundblick. In der vorvergangenen Woche hatten verschiedene Zeitungen berichtet, dass in Niedersachsen derzeit 79 verurteilte Straftäter nicht im Maßregelvollzug untergebracht werden konnten und deshalb nach wie vor frei herumliefen. Grund dafür seien zu wenig freie Therapieplätze. Wie das Sozialministerium nun darlegte, sei es allerdings nicht so, dass nun verurteilte Straftäter, von denen eine Gefahr ausgeht, auf freiem Fuß blieben. Für solche Fälle gebe es zunächst die Untersuchungshaft und nach einer Verurteilung die Organisationshaft. In der U-Haft könnten auch nach der Verurteilung und vor der Unterbringung im Maßregelvollzug für eine Übergangszeit solche Straftäter untergebracht werden, bei denen von einer Flucht- oder Verdunklungsgefahr ausgegangen werde, oder bei denen Wiederholungsgefahr besteht, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums. Die Organisationshaft wiederum biete die Möglichkeit, potentiell gefährliche verurteilte Straftäter zwischen dem Urteilsspruch und der Unterbringung im Maßregelvollzug einzusperren. Laut Angaben des Sozialministeriums befinden sich in Niedersachsen aktuell 19 verurteilte Straftäter in Organisationshaft und warten auf eine Überstellung in den Maßregelvollzug. Dabei seien sieben Aufnahmen bereits terminiert. 86 verurteilte Straftäter verbringen hingegen ihre Wartezeit bis zum Maßregelvollzug derzeit aufgrund gerichtlicher Entscheidungen noch auf freiem Fuß.

Grundsatz im Strafgesetzbuch: Maßregelvollzug vor Haftstrafe

Das Strafgesetzbuch schreibt vor, dass Maßregelvollzug stets vor einer Haftstrafe anzuwenden ist. Das liege zum einen daran, dass kranke Menschen nicht einfach ins Gefängnis gesteckt werden sollen, erläutert ein Sprecher des Justizministeriums. Das gängigste Beispiel für einen solchen Fall sei der Drogensüchtige, der Diebstahl begeht, um seine Sucht befriedigen zu können. So jemanden einzusperren, brächte nichts, wenn er nicht auch seine Sucht in den Griff bekäme. Eine Haftstrafe soll aber auch deshalb nicht zeitlich vor dem Maßregelvollzug liegen, weil dadurch dem Verurteilten womöglich die Gelegenheit genommen würde, vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Dies wird an einem Beispiel erklärt: Wird ein Straftäter zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, stünde ihm regulär die Möglichkeit offen, nach zwei Dritteln der Straf-Vollstreckung eine vorzeitige Entlassung zu beantragen. Entzugstherapien im Maßregelvollzug dauerten aber in der Regel etwa zwei Jahre. Würde ein Straftäter nun vor dem Maßregelvollzug quasi zur Überbrückung der Wartezeit bereits für ein halbes Jahr inhaftiert, hätte dieser Straftäter keine Möglichkeit auf vorzeitige Haftentlassung, weil er sich zu dem entsprechenden Zeitpunkt noch in Therapie befände.