Es mag am Wetter liegen, dass die Kolumnistin in dieser Woche vom Fernweh geplagt wird. Nachdem die TagesKolumne neulich schon gefragt hat, was die Dänen besser machen als wir (mögliche Antworten: ihren Politikern vertrauen und nicht erwarten, dass das Gesundheitssystem alle Probleme auf einmal löst. Mehr dazu lesen Sie hier.), schauen wir heute mal nach Marokko. Dort war ich noch nie, deswegen muss ich mich an Menschen halten, die aus Marokko kommen. Bei ihnen sind mir als erstes aufgefallen: Der Duft von frischem Minztee aus der Küche, handgefertigte Lederhausschuhe und wunderbar flauschige, traditionell gewebte Teppiche. Das ist alles ziemlich gemütlich, aber noch nicht das Erfolgsgeheimnis.

Arab Youth: young moroccan woman working at touchpad
Ein MINT-Fach zu studieren, war eine Zeit lang schwer angesagt für junge Frauen in Marokko. | Foto: fotografixx via GettyImages

„Was läuft in Marokko besser?“, war die große Frage, die sich die Delegierten des Landesfrauenrates bei ihrem Fachforum zu Geschlechterrollen in der Bildung stellten. Denn dort gibt es in MINT-Berufen einen Frauenanteil von rund 45 Prozent, wie Silke Richter von der Industrie- und Handelskammer Hannover berichtete. Zum Vergleich: In Deutschland dümpelte der Frauenanteil 2022 nach Daten des „Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft“ bei 16 Prozent. In der Fachliteratur, erläuterte Silke Richter, wird das Marokko-Phänomen damit erklärt, dass die Lage der einheimischen Wirtschaft sehr unsicher ist. Ehrgeizige junge Leute beiderlei Geschlechts setzen deswegen gleich auf eine internationale Karriere, und die ist am aussichtsreichsten in einem MINT-Beruf. Das Erfolgsgeheimnis der Marokkaner aus meiner kleinen Stichprobe ist offenbar: Sie arbeiten in Europa. Sie haben Familie und Freunde hinter sich gelassen, weil sie im Weben traditioneller Teppiche oder dem Nähen von Lederpuschen keine Perspektive für sich sehen.

Mir lief es kalt den Rücken herunter. Soll das heißen: Uns geht es zu gut? Also: uns, den Frauen und Mädchen in Deutschland? Sicher nicht, wie man derzeit, kurz vor dem Tag gegen Gewalt an Frauen, wieder überall lesen kann. Aber die Gefahr ist weit weg, wenn man neunzehn ist. Wer denkt schon daran, was es bedeutet, sich irgendwann zwischen einer unglücklichen Beziehung und einem Leben als alleinerziehende Empfängerin von Transferleistungen entscheiden zu müssen? Oder als Rentnerin mit 800 Euro im Monat? Niemand, natürlich nicht. Deswegen müssen wir Erwachsenen ein bisschen ehrlicher werden – auch wenn es wehtut, bei allem Girlboss- und Frauenpower-Gehabe zuzugeben, dass man deutlich weniger verdient als der Partner. Das zu verschweigen, ist noch nicht alles, was meine Generation auf dem Kerbholz hat: Wenn ein Mädchen sich gegen einen MINT-Beruf entscheidet, dann stecken häufig die Eltern dahinter. Wie das kommt, lesen Sie heute im Rundblick.

Gülşan Yalçin vom Vorstand des Landesfrauenrates weiß mehr über die arabische Welt. Sie betonte, dass nicht nur Zukunftsangst die Berufswahl der Frauen beeinflusst hat. MINT-Berufe haben ein hohes Sozialprestige, erklärte sie. Bis zur arabischen Revolution haben reiche Eltern ihre Töchter nachdrücklich ermuntert, ein MINT-Fach zu studieren. Doch mit der Rückkehr konservativer Regime kam auch ein altes Frauenbild zurück. Puh. Gerade scheint der Weg zur Gleichstellung eher länger als kürzer zu werden auf der Welt.

Leider haben wir heute im Rundblick nicht unbedingt bessere Nachrichten für sie:

  • Das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück bangt um seine Existenz.
  • Die Kurorte im Land fühlen sich von der Politik abgehängt.
  • Immerhin gemischte Gefühle löst die zweite Amtszeit von Donald Trump bei der niedersächsischen Wirtschaft aus.

Vielleicht kochen Sie heute ja mal einen frischen Minztee für sich und Ihre Tochter und fragen, was sie gerade Cooles in Physik macht.

Einen duften Donnerstag wünscht Ihnen

Ihre Anne Beelte-Altwig