Darum geht es: Die Zahl der Studienabbrecher in technischen Fächern geht zurück, liegt aber immer noch bei etwa einem Drittel. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Nachdem Rick Kavanian im neunten Semester zum zweiten Mal durch die Zwischenprüfung in Politikwissenschaften gerasselt war, brach er auf Anraten seines Freundes Bully Herbig das Studium ab. Der habe ihm gesagt: „Rick, mach was Bodenständiges, mach Comedy.“ Heute ist er als Schauspieler, Komiker und Synchronsprecher erfolgreich. Es läuft eben nicht immer nach dem Schema F: Abitur, Studium, Job, Rente. Nein, es gibt auch ein Leben nach dem Studienabbruch, und oftmals nicht mal ein schlechtes. Das macht der Lebenslauf von Rick Kavanian ebenso deutlich wie die Karrieren der Studienabbrecher Bill Gates, Steve Jobs, Rene Obermann, Peter Handke oder Günther Jauch.

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Das Scheitern stärkt die Persönlichkeit und deswegen ist es überhaupt kein Drama, wenn ein Drittel der Studenten zu dem Ergebnis kommt, dass das Studium doch nicht das richtige für sie ist. Erstaunlich ist vielmehr, dass durch den massiven Anstieg der Studierendenzahlen die Zahl der Studienabbrecher nicht noch viel höher ausfällt. Das ist auch den Hochschulen zu verdanken, die sich inzwischen des Themas angenommen haben und sich in den Beratungen viel gezielter als früher damit befassen. Positiv ist auch, dass viele Unternehmen an Studienabbrechern interessiert sind, um diese für die Ausbildungsberufe zu gewinnen. Dabei braucht es aber mittelfristig noch mehr Flexibilität. Das erworbene Wissen muss respektiert und anerkannt werden. Unternehmen monieren gerne fehlende Flexibilität bei staatlichen Institutionen, sollten bei Gelegenheit aber auch einmal die eigene Flexibilität überprüfen. Die Personalabteilung mancher Unternehmen steht mancher Behörde in nichts nach.

Und es geht auch um Wertschätzung. Wann genau sind wir eigentlich diesem Akademisierungswahn verfallen? Ab wann genau meinten wir, dass bestimmte Berufe ohne Studium nicht mehr auszuüben sind? Dieser Trend vergangener Jahre fällt heute zahlreichen Unternehmen auf die Füße, die verzweifelt nach Auszubildenden suchen. Und er trägt zur massiven Verunsicherung von Studienabbrechern bei, die befürchten, ohne ein Studium auf dem Arbeitsmarkt auf der Verliererseite zu stehen. Die Fixierung auf den akademischen Abschluss führt zu einer Gleichförmigkeit auf dem Bewerbermarkt. Auf den Tischen der Personalabteilungen liegen die Unterlagen junger Menschen, die sich direkt nach dem Abitur durch das verschulte Studium gekämpft und, wenn möglich, dazwischen noch ein Semester im Ausland absolviert haben. Es fehlen immer häufiger diejenigen, die Umwege genommen haben und daran gewachsen sind. Oder diejenigen, die abseits des Lebenslaufs etwas riskiert haben. Es fehlt der Mut zum Scheitern, der Mut zu ungewöhnlichen Wegen.

Eine schablonenhafte Ausbildung führt am Ende aber auch zu einer schablonenhaften Gesellschaft. Dabei suchen wir doch auch die Rick Kavanians, die unser Leben reicher machen.

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