Nach der Wahl die Ernüchterung: Die Niederlage von Friedrich Merz bei der Kür des neuen CDU-Bundesvorsitzenden ist von vielen Anhängern, die der Sauerländer in Niedersachsen hat, mit Enttäuschung aufgenommen worden. Das liegt auch daran, dass diese in den vergangenen Wochen besonders engagiert für ihren Favoriten gekämpft hatten.

In Hamburg mit 51,7 Prozent gewählt: Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer – Foto: Johanna Wallbaum

Zwei Lager hatte es auch in der Niedersachsen-CDU gegeben. Die einen, man kann sie die Leisen nennen, waren für die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Parteichefin. Die meisten von ihnen redeten nicht viel darüber, denn AKK-Anhänger, hieß es, seien stille Anhänger. Die anderen, die Fans von Friedrich Merz, wurden in den vergangenen Wochen immer lauter, immer direkter.

Zwar hatte die Führung der Niedersachsen-CDU für die Repräsentanten der Partei die Devise „Zurückhaltung“ ausgegeben. Die Mitglieder des Präsidiums sollten, so war der Plan, bitte auf jede Frage nach ihrer Wahlentscheidung mit den Worten „noch unentschlossen“ antworten. Nicht alle hielten sich auch daran. Zu denen, die aus der Reihe tanzten und sich früh offen zu Merz bekannten, gehörten auch die beiden Landtagsvizepräsidenten Frank Oesterhelweg (Wolfenbüttel) und Bernd Busemann (Papenburg).

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

CDU-intern wird gemutmaßt, das rund 70 Prozent der niedersächsischen CDU-Mitglieder bis zum vergangenen Freitag für Merz waren. Das betrifft auch viele kommunale Parteimanager. In fast jedem Kreisverband hatte es im Vorfeld Mitgliederversammlungen gegeben, in den meisten Fällen wurde auch ein Meinungsbild abgefragt. Offiziell bekannt wurde, dass etwa in den Kreisverbänden Stade, Diepholz und Uelzen die Mitglieder ihre Meinung sagen konnten – und jeweils die große Mehrheit für Merz votiert hatte. Nicht verbreitet wurde, dass auch in anderen Verbänden ähnliches geschah mit etwa stets dem ähnlichen Resultat. „Wenn es Merz nicht werden sollte, werden uns viele Mitglieder wieder verlassen“, warnte im Vorfeld ein Kreisvorsitzender.

Abschied nach 18 Jahren Parteivorsitz: Angela Merkel – Foto: Johanna Wallbaum

Andere hatten eine merkwürdige Zweiteilung in der Funktionsträgerschaft der CDU ausgemacht. Auf Bundesebene wirken mehrere niedersächsische Christdemokraten in führender Stellung, die bisher eine mehr oder weniger ausgeprägte Nähe zu Merkels Machtzentrale haben – Hendrik Hoppenstedt als Staatsminister im Kanzleramt, Ursula von der Leyen als Bundesverteidigungsministerin, Michael Grosse-Brömer als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und die parlamentarischen Staatssekretäre Maria Flachsbarth und Enak Ferlemann.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Gab es nun bisher eine Zweiteilung in der Niedersachsen-CDU? Manche sehen das so und verorten auf der einen Seite die Merkel-Nähe führender niedersächsischer CDU-Politiker, soweit diese auf der Bundesebene tätig sind. Diesen wird unterstellt, sie seien Anhänger von Kramp-Karrenbauer gewesen, weil AKK die Kontinuität der Machtverhältnisse am besten garantiert hätte. Auf der anderen Seite stehen in dieser Sichtweise mehrere niedersächsische Bundestagsabgeordnete ohne besondere Positionen, die mit der Wahl von Merz auf Erneuerungen setzen – und auch vor einem Bruch der Großen Koalition im Bund und vor vorzeitigen Neuwahlen keine Angst haben. Sie hoffen auf eine Renaissance der neunziger Jahre, als zwei Blöcke gegenüberstanden – SPD und Grüne hier, CDU und FDP dort. Populisten von rechts gab es damals noch nicht, die von links hießen PDS und waren klein und übersichtlich.

Die Kritiker dieser Sichtweise entgegnen, diese Zeiten seien ein für allemal vorbei, die Zersplitterung des Parteiensystems lasse sich nicht aufhalten – und am pragmatischen Regierungsstil, den Merkel pflegte und für den auch Kramp-Karrenbauer steht, könne man nicht rütteln. Die CDU müsse sich darauf einstellen, wegen starker Extremisten links und rechts womöglich für längere Zeit mit der SPD gemeinsam regieren zu müssen.

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Wie wirkt sich das Ergebnis nun auf Niedersachsen aus? Dass die Niedersachsen-CDU sich vor der Wahl nicht festlegte, im Unterschied etwa zu Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Sachsen, gerät der Partei nicht zum Nachteil. Dass der Landesvorsitzende Bernd Althusmann, obwohl zum wirtschaftsliberalen Flügel der Partei zuzurechnen, anders als andere nicht offen für Merz votierte, schadet seiner Stellung bei der neuen Parteichefin jetzt sicher nicht. Andererseits konnte Althusmann auch gar nicht anders – denn die Niedersachsen-CDU war in dieser Frage tief gespalten. Sie ist es auch bis heute.

Und was die Große Koalition in Niedersachsen angeht? Die Wahl von AKK ist eher ein Signal dafür, dass Merkel noch einige Jahre ungestört ihre Kanzlerschaft fortsetzen kann. Das wiederum heißt: Es dürfte aus Berlin auch kein Störfeuer für die Regierung in Hannover geben. (kw)