Live im Landtag: Wie sich FDP und Grüne an eine bessere Zusammenarbeit gewöhnen
Es soll schon ein politisches Signal sein, wenn auch nur ein kleines: In der nächsten Woche berät der Landtag über zwei Anträge, die jeweils von FDP und Grünen gemeinsam eingereicht werden. Die Inhalte sind nun zwar keine Sensationen, vielmehr geht es um Anliegen, die auch eine breite Mehrheit – unabhängig von der politischen Richtung – teilen kann. Zum einen protestieren die beiden kleinen Fraktionen gegen die Missstände in den Schlachthöfen, fordern bessere Kontrollen und verpflichtende Schulungen für die dort tätigen Mitarbeiter. Zum anderen geht es um die sogenannten „Upload-Filter“, mit denen die EU den Urheberschutz im Internet verbessern will – es sollen nicht mehr alle möglichen Inhalte etwa über Youtube verbreitet werden. FDP und Grüne wittern dahinter den Versuch, eine Zensur im Internet aufzubauen. Beide protestieren entsprechend scharf dagegen.
Warum sollen die beiden Oppositionsparteien nicht gemeinsam auftreten, wenn sie doch – zumindest in diesen beiden Fragen – gemeinsame Positionen haben? Die Bedeutung der beiden Entschließungsanträge geht wohl weit über die jeweiligen Inhalte hinaus. Knapp anderthalb Jahre nach der Landtagswahl und der an sie anschließenden Bildung einer Großen Koalition loten Freidemokraten und Grüne Möglichkeiten aus, wie sie zusammen agieren können. Sie versuchen sich damit an etwas zu gewöhnen, was im Herbst 2017 noch unmöglich schien: ein politisches Bündnis. Nach der Landtagswahl hätte Stephan Weil als Leitfigur der SPD liebend gern eine gemeinsame Koalition mit Grünen und FDP gebildet, eine Ampel-Koalition. Auch die Grünen waren dafür offen. Aber in der FDP verweigerte sich vor allem der Partei- und Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Sein Argument war, dass er nicht zum Steigbügelhalter werden wolle für eine Fortsetzung der rot-grünen Regierung unter einer neuen Konstellation mit der FDP. Umgekehrt hätte damals Bernd Althusmann als Leitfigur der zur zweitstärksten Fraktion geschrumpften CDU liebend gern eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP gebildet. Dazu hätte sich wohl auch die FDP bereitgefunden, nicht aber die Grünen. Bei ihnen, die gerade eine fünfjährige Zusammenarbeit mit der SPD hinter sich hatten, schien eine Kooperation mit den Christdemokraten auf Landesebene undenkbar – auch deshalb, weil die Grünen in Niedersachsen
weitaus stärker links geprägt sind als in anderen Bundesländern.
Wie in einem Casting, bei dem Weil und Althusmann nacheinander auftreten.
Aber jetzt, fast anderthalb Jahre später, hat sich die Situation doch verwandelt. In der FDP hat Birkners damaliges Nein zur Ampel nachhaltigen Widerspruch ausgelöst. Viele in der Partei bedauern, nicht selbst in Teilbereichen mitbestimmen und mitgestalten zu können, wie es nur über eine Regierungsbeteiligung möglich wäre. Bei den Grünen ist es nicht viel anders, die Fraktionsführung um die Vorsitzende Anja Piel, den Finanzpolitiker Stefan Wenzel, den Fraktionsgeschäftsführer Helge Limburg, den früheren Agrarminister Christian Meyer und die Umweltpolitikerin Miriam Staudte wirkt zuweilen leicht geschwächt – was auch damit zu tun haben könnte, dass vielen Grünen nach fünf Jahren Rot-Grün der Abschied aus der Rolle des Mitregierens nicht leicht fällt. Sie merken, wie wenig man eigentlich in der Opposition bewegen kann. Bei Freidemokraten wie Grünen sind nun Strategen am Werk, die eine Neuorientierung als eine Art internes Aufbruchssignal verstehen: Wenn sich Freidemokraten und Grüne pragmatisch annähern, Tuchfühlung aufnehmen und gegenseitige Vorbehalte abbauen, könnten im Fall der Fälle eine Menge emotionaler Hürden auf dem Weg zu einer Zusammenarbeit schon beseitigt sein. Wie es aus der FDP heißt, spielt dann die Frage Ampel oder Jamaika gar keine große Rolle mehr – im Idealfall würden FDP und Grüne nach einem möglichen Bruch der derzeitigen Großen Koalition geschlossen agieren und sich gemeinsam anschauen, ob die SPD oder die CDU ihnen als großer Partner besser passt. „Wie in einem Casting, bei dem Weil und Althusmann nacheinander auftreten“, sagt ein Vertreter der Landtagsopposition.
Das klingt nun in der Theorie ganz klug, ist aber in der Praxis durchaus anstrengend. Beim „Upload-Filter“ und bei allgemeinen Positionen zum Tierschutz mag die Verständigung noch unproblematisch gelingen. Was die innere Sicherheit angeht, den Vorrang von Bürgerrechten vor den Rechten der Polizei, sind sich beide auch schnell einig. Viele in der FDP sind heutzutage auch bereit, bei der Legalisierung der Drogenpolitik auf Grünen-Positionen einzugehen. Sogar die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, ein stets wiederkehrendes Lieblingsanliegen der Grünen, findet bei den Freien Demokraten zunehmend mehr Fürsprecher.
Mobilität und Energiepolitik bleiben Streitpunkte
Aber auf der anderen Seite sind da ein paar Kernthemen, in denen noch Welten zwischen Grünen und Freidemokraten liegen. Die FDP hatte mal mit „freier Fahrt für freie Bürger“ geworben, sie gilt nach wie vor als Interessenvertretung für die Autofahrer. Die Grünen kämpfen für Klimaschutz und ökologischer Verkehrswende, das geht zumeist einher mit Rufen nach mehr staatlicher Regulierung und nicht – wie die FDP will – weniger. In der Wirtschafts- und Energiepolitik hat die FDP sehr stark das Wettbewerbsinteresse der Unternehmen im Blick, bei den Grünen spielt das keine große Rolle. Und in der Agrarpolitik, gerade in Niedersachsen, sind viele Liberale stolz auf ihre Nähe zu den konventionellen Bauern. Die Grünen schlagen sich auf die Seite der Öko-Landwirtschaft. Gerade hier allerdings wird in jüngster Zeit ein wachsender Pragmatismus auf beiden Seiten festgestellt. Der FDP-Landwirtschaftspolitiker Hermann Grupe soll recht angetan von der Argumentation der Grünen zum Tierschutz gewesen sein, heißt es, und der frühere Agrarminister Christian Meyer von den Grünen, Anführer des linken Flügels seiner Partei, soll sich angeblich immer mehr um einen entspannten Kontakt zu führenden FDP-Politikern bemühen. Früher habe er das nie getan.
Und was nützt das alles, wenn die nächsten Landtagswahlen doch erst in dreieinhalb Jahren sein werden? Die Lage ist bundesweit unsicher, heißt es darauf als Antwort, und ob die Großen Koalitionen im Bundestag und im Landtag noch lange halten werden, wisse doch sowieso niemand. (kw)