Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) versuchen, dem Volksbegehren für Artenschutz auf den letzten Metern vorm Start doch noch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Beide Ministerien hatten gestern spontan zu einer gemeinsamen Pressekonferenz geladen – direkt im Anschluss an eine schon seit längerem geplante erste Pressekonferenz des neuen Artenschutz-Bündnisses. Das „Volksbegehren Artenvielfalt“ wollte den heutigen Tag des Artenschutzes als Anlass nutzen, um auf ihre wohl im April beginnende Unterschriftensammlung hinzuweisen. Lies und Otte-Kinast hingegen wollen diese noch immer abwenden und präsentierten deshalb gestern ein neues Vorgehen, das sie „niedersächsischen Weg“ nennen.

Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD) wollen Landwirtschafts- und Umweltverbände mit einem Vertrag zu Kompromissen bringen – Foto: nkw

Ein konkretes Maßnahmenpaket konnten beide Ministerien noch nicht vorstellen. Stattdessen benannten sie vage jene Streitpunkte, bei denen sie nach einer Einigung suchen: etwa den Ausbau des Öko-Landbaus, die Ausweisung von Gewässerrandstreifen oder die Reduzierung des Pestizideinsatzes. Sie planen, das Ergebnis ihrer Beratungen mit den beiden großen Naturschutzorganisationen Naturschutzbund (Nabu) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf der einen Seite, und den beiden Vertretern der Landwirtschaft, Landvolk und Landwirtschaftskammer auf der anderen Seite in einem Vertrag festzuschreiben.

Jene Maßnahmen, auf die sich alle sechs Akteure verständigen, sollen dann in Form von drei Gesetzen – Naturschutz-, Wasser- und Waldgesetz – festgeschrieben und mit Finanzmitteln hinterlegt werden. Lies sprach dabei von einem „hohen zweistelligen Millionenbetrag“, der dauerhaft bereitgestellt werden müsste. Dazu müssen die Gesetzentwürfe allerdings zunächst noch vom Kabinett abgesegnet werden, sowie die Verbandsbeteiligung und die parlamentarische Beratung durchlaufen. Durch den Vertrag zwischen den sechs Konfliktparteien soll lediglich verhindert werden, dass sich diese bei jedem Gesetz erneut streiten.

Minister Lies befürchtet eine Spaltung der Gesellschaft

Agrarministerin Otte-Kinast erklärte, die Hälfte des Weges sei nun schon geschafft und wichtige Etappenziele seien erreicht. Dabei verwies sie etwa auf die drei Öko-Modellregionen, die ihr Ministerium vor kurzem ausgerufen hatte, und kündigte an, dass im kommenden Jahr erneut drei Regionen gefördert werden sollen. Den Vertrag, den die beiden Ministerien nun aushandeln, bezeichnete sie als eine „erste Säule eines Gesellschaftsvertrags“, mit dem sie zurzeit Landwirte, Verbraucher und Klimaschützer miteinander aussöhnen will. Das Volksbegehren wird von Umweltminister Lies hingegen sehr kritisch gesehen, weil es zu einer Spaltung in der Gesellschaft führe. Es sei die Frage, „ob eine Auseinandersetzung auf der Straße eine Lösung für den Artenschutz schafft.“ Ihm gehe es jetzt darum „im Miteinander Lösungen zu finden“, der schriftliche Vertrag solle dabei Verlässlichkeit garantieren.

Initiatoren des „Volksbegehren Artenvielfalt“: Magdalena Schumacher (NaJu), Hans-Joachim Janßen und Anne Kura (Grüne Niedersachsen), Holger Buschmann (Nabu) und Klaus Ahrens (Deutscher Berufs- und erwerbsimkerbund) sowie Heike Köhn (Pressesprecherin des Bündnisses) – Foto: nkw

Die Initiatoren des Volksbegehrens – der Nabu, der Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerverband, die niedersächsischen Grünen und das Jugendbündnis zum Volksbegehren – bekräftigten jedoch erneut, dass ihr Gesetzentwurf bereits ein Kompromiss sein werde, der auch die Interessen der Landwirtschaft berücksichtigt. So sollen zwar fünf Meter breite Gewässerrandstreifen an allen Gewässertypen vorgeschrieben werden. Es gäbe aber auch bestimmte Ausnahmen und einen Erschwernisausgleich für die betroffenen Landwirte. Auch bei der Quote für Öko-Landbau bleibt der Entwurf des Bündnisses hinter den Forderungen beispielsweise der Grünen-Landtagsfraktion zurück. Weil Niedersachsen hier besonders weit hinterherhinke, solle der Anteil bis 2025 auf 10 Prozent und bis 2030 auf 20 Prozent erhöht werden. Die Bodenversiegelung solle langsam zurückgefahren und der Einsatz von Pestiziden zumindest in Naturschutzgebieten unterbunden werden.


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Dass Umweltminister Lies gegen das Volksbegehren anführte, dass dieser Prozess sehr lange dauern würde, bezeichnete der Grünen-Landesvorsitzende Hans-Joachim Janßen als „völlig unverständlich“. Er rechnet damit, dass bis zum Spätherbst die nötigen 610.000 Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt werden können. Anschließend habe die Politik die Möglichkeit, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen oder neben einem eigenen Entwurf in Form eines Volksentscheids zur Abstimmung zu stellen. Außerdem könne die Landesregierung schon vorher aktiv werden. Niemand halte die Landesregierung davon ab, den Gesetzesentwurf zu nehmen und im Landtag zu beschließen, erklärte Janßen.

Engagement der Grünen lädt das Volksbegehren parteipolitisch auf

Dass die Grünen nun als Mit-Initiatoren des Volksbegehrens in Erscheinung treten, hat das Vorgehen parteipolitisch aufgeladen. Umweltminister Lies erkennt darin ein Wahlkampfmanöver. Denn sollte es schließlich zu einem Volksentscheid kommen, fiele dieser womöglich in die Nähe des nächsten Landtagswahlkampfes. Das prominente Auftreten der Grünen hat zudem dazu geführt, dass sich der BUND weiter zurückgezogen hat, um seine parteipolitische Neutralität zu wahren. Statt als Initiator tritt der BUND nur als einer von über 70 Unterstützern auf. Der Verband möchte sich weiterhin die Option offenhalten, auf Angebote der Landesregierung einzugehen, wenn diese dem Artenschutz nützten, heißt es.