Die beiden LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven, die ein Schlüssel sein sollen zur Aufnahme von Flüssiggas in Deutschland, geraten derzeit zu den ehrgeizigsten Vorhaben der niedersächsischen Landesregierung. Die Minister Olaf Lies (Umwelt) und Bernd Althusmann (Wirtschaft) werden seit Tagen nicht müde zu erklären, dass beide Projekte „mit Nachdruck vorangetrieben“ werden müssten. Beide versprühen den Ehrgeiz, die Planung und Realisierung schneller als bisher möglich zu abzuwickeln.

N-Ports-Geschäftsführer Holger Banik (links) hat noch ein ganzes Paket an Aufgaben für Olaf Lies und Bernd Althusmann. | Foto: N-Ports

Auch der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner stimmt in diesen Chor ein. Er sagte mit Blick auf die Planungen in Wilhelmshaven: „Wir bekommen von Unternehmen das Signal, dass sie technisch ein schwimmendes LNG-Terminal bis Ende 2022 realisieren könnten. Momentan scheitern sie aber am deutschen Planungsrecht, das eine solche Umsetzung auf gut und gerne zehn Jahre hinauszögern kann. Ich erwarte, dass der Bund den dringenden Handlungsbedarf erkennt, der insbesondere hier an den Küsten besteht. Ich hätte wenig Verständnis dafür, wenn man im Bund abwarten würde, es müssen jetzt Entscheidungen getroffen werden.“

Ein Schlüssel für die Beschleunigung könnten veränderte Planverfahren über eine Reform von Bundesgesetzen sein. Aber auch Sonderbestimmungen in bestehenden Gesetzen könnten angewandt werden. Hier ein Überblick:

Legalplanung: Denkbar wäre, bestimmte Vorhaben – etwa die LNG-Terminals – nicht über das übliche Verwaltungsverfahren zu planen, sondern im Bundestag beschließen zu lassen. Dann gäbe es für alle, die dagegen vorgehen wollen, nur noch ein Gericht, das Bundesverfassungsgericht. Der oft jahrelange Instanzenweg über Verwaltungsgerichte wäre abgekürzt. Das überragende öffentliche Interesse an den Projekten, nämlich die Sicherung der unabhängigen Energieversorgung, könnte einen solchen Schritt rechtfertigen. Bisher ist die Legalplanung im Bund auf Verkehrsprojekte beschränkt, womöglich werden Industrieanlagen künftig einbezogen. In der Bundesregierung sollen entsprechende Überlegungen angeblich gerade reifen.

Planungsverkürzung, Klage-Beschränkung: Denkbar sind viele kleine Schritte zur Beschleunigung. So könnten mehrere Planschritte, die sonst zeitlich aneinandergereiht waren, zeitgleich stattfinden und später ineinanderfließen. Die Digitalisierung könnte dabei ebenfalls helfen. Mehrere Umweltverbände zeigen sich dafür aufgeschlossen. Mit Sorge sehen sie indes Konzepte, die meistens sehr zeitaufwendige Umweltverträglichkeitsprüfung auszusetzen oder extrem zu verkürzen.

Kritisch wird bei den Verbänden auch die „materielle Präklusion“ gesehen, auf die sich die Ampel-Koalition im Prinzip schon verständigt hatte: Die Vorschrift sieht vor, dass Einwände frühzeitig vorgetragen werden müssen, womöglich bis zu einem bestimmten Stichtag. Später würden sie keine Berücksichtigung mehr finden. Mehrere Umweltverbände meinen, die „materielle Präklusion“ widerspreche dem Europarecht. Streit droht auch beim Verbandsklagerecht. Diskutiert wird in Berlin, ob man die Rechte der Umweltverbände, gegen Großprojekte vor Gericht zu ziehen, in bestimmten Fällen beschneiden sollte.

Im Industriepark am Seehafen Stade soll ein LNG-Terminal entstehen. Die Pläne dazu werden immer konkreter. | Foto: N-Ports

Strenges Regiment bei der Planung: Diskutiert wird auch, wegen der Eilbedürftigkeit einiger Vorhaben zum einen von der europaweiten Ausschreibung abzusehen und zum anderen einen Planfeststellungsbeschluss mit der „sofortigen Vollziehbarkeit“ auszustatten. Das käme etwa in Betracht für die nötige neue 20 Kilometer lange Gas-Pipeline von Wilhelmshaven zu den Kavernen in Etzel, die bis Ende 2022 schon fertig sein soll.

Ausnahmen von Planungsvorgaben könnten nur mit einem „übergeordneten öffentlichen Interesse“ begründet werden – aber das wäre denkbar. Zum „strengen Regiment“ könnte auch begleitende Überzeugungsarbeit zählen: Die Planer würden sich mit den wichtigsten Kritikern zusammensetzen und versuchen, die größten Einwände gegen das Projekt frühzeitig unkonventionell aus dem Weg zu räumen.

So soll das LNG-Terminal in Stade einmal aussehen. | Grafik: HEH

Der Tesla-Effekt: Immer wieder ist auch von einem „Tesla-Effekt“ die Rede, das orientiert sich am Bau der Tesla-Autofabrik in Brandenburg. Der Investor hatte mit den Bauvorhaben schon begonnen, obwohl die Planung noch nicht vollständig, sondern erst teilweise genehmigt war – auf sein eigenes Risiko. Diskutiert wird, ob ein ähnlicher Weg auch bei den LNG-Projekten möglich wäre. Dies liegt womöglich eher in der Verantwortung der Landesplanung.

Das patriotische Argument: Althusmann sagte kürzlich, wegen der „nationalen Sicherung der Energieversorgung“ sollten die Planungen „auf das notwendige Maß zurückgesetzt werden“. Das klingt nach der Krisen-Begründung für Notfallplanungen, ein solcher Weg würde wohl eine drastische Verkürzung von Planungen gestatten. Bisher zeichnet sich dafür eine Mehrheit im Bundestag allerdings nicht ab.