Hat die SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies ohne dessen Wissen in eine schwierige Situation gebracht? Lies zeigte sich gestern vor dem Landtag „stinksauer“, da er erst später erfahren habe, welche merkwürdigen Umstände hinter einer Einladung an ihn zu einer Vorwärts-Veranstaltung gesteckt haben. Lies war im vergangenen April in Berlin als „Dinners Speaker“ vor etwa 15 geladenen Gästen, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Unternehmen, aufgetreten. Er sprach dabei über Wirtschafts- und Energiethemen. Wie Lies gestern vor dem Landtag erklärte, habe er erst jetzt im Zusammenhang mit bundesweiten Vorwürfen erfahren, dass eine mit dem „Vorwärts“  verbundene Medienagentur die Gespräche mit prominenten Politikern für Geld verkauft hatte. Die Rede ist von Beträgen zwischen 3000 und 7000 Euro je Teilnehmer einer solchen Gesprächsrunde. „Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich dort nicht hingegangen“, sagte Lies jetzt im Landtag. Es sei ein „völlig falsches Politikverständnis“, den Kontakt mit Politikern verkaufen zu wollen. CDU-Generalsekretär Ulf Thiele forderte Lies auf, „zur weiteren Aufklärung beizutragen“ und beispielsweise aufzuhellen, wie hoch die Einnahmen und Ausgaben der Veranstaltung seien und ob ein möglicher Gewinn für den „Vorwärts“-Verlag als verdeckte Parteienfinanzierung gewertet werden könne.

Staat Club 2013 Redner im Club Vorwärts? Wirtschaftsminister Olaf Lies - Fotograf: Thiemo Jentsch

Statt Club 2013 Redner im Club Vorwärts? Wirtschaftsminister Olaf Lies – Fotograf: Thiemo Jentsch

Lies sagte, die Anfrage des „Vorwärts“ stamme aus dem Februar 2015. Das Gespräch sei ursprünglich für September 2015 geplant gewesen, dann aber auf April 2016 verschoben worden. Wenige Tage vor dem Termin habe sein Büro im Wirtschaftsministerium Details dazu erfahren, so auch den Hinweis auf einen „Unterstützer“, nämlich den Vertreter der Hansewerk AG, einem mit E.on verknüpften Energiedienstleister. „Im Nachhinein ist es so, dass dieser Hinweis merkwürdig erscheint“, räumte Lies ein. Damals aber sei der Zusammenhang von ihm nicht erkannt worden. In dem Schreiben des „Vorwärts“ an Lies wird auf Treffen mit anderen Honoratioren hingewiesen, die bereits als „Dinners Speaker“ aufgetreten waren – darunter Frank-Walter Steinmeier, der heutige Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann aus Göttingen, SPD-Bezirkschef Hubertus Heil aus Peine und Garrelt Duin, der frühere SPD-Landesvorsitzende und heutige NRW-Wirtschaftsminister.

CDU-Generalsekretär Thiele sagte, Lies sei vermutlich „nur deshalb nicht bösgläubig an die Sache gegangen“, weil ihn ein Parteifreund angesprochen habe. Christian Dürr (FDP) meinte, der Vorgang sei „unglaublich“: „Die SPD perfektioniert das, was vor sechs Jahren Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) begonnen hat.“ Grant Hendrik Tonne (SPD) und Helge Limburg (Grüne) erinnerten an den „Club 2013“ der CDU vor der vergangenen Landtagswahl, der auch das Ziel gehabt habe, Teilnehmer an Veranstaltungen mit Politikern um Spenden zu bitten.