So lief der erste Schlagabtausch im neuen Landtag
Der erste Applaus des zweiten Sitzungstages im Landtag ging an Grünen-Fraktionschefin Anja Piel – er kam allerdings ausgerechnet von SPD und CDU. „138 Seiten nach zwei Wochen – das muss man erst mal schaffen“, sagte Piel und meinte damit die Erarbeitung des Koalitionsvertrages. Doch die Kritik ging nach hinten los. Die über 100 Abgeordneten von SPD und CDU spendeten sich selbst Applaus.
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Piel warf der Großen Koalition eine Rückkehr zur law-and-order-Politik vor. „Statt über Sicherheit reden Sie jetzt lieber über Ordnung. Geht es Alkoholikern weniger schlecht, wenn sie aus den Innenstädten vertrieben werden?“, fragte Piel. Zudem unterhöhle der Plan einer Präventivhaft von 74 Tagen den Rechtsstaat.
Es werde in der Innenpolitik keinen Paradigmenwechsel geben, sagte dagegen SPD-Fraktionschefin Johanne Modder. „Wir werden die Kompetenzen der Polizei dort stärken, wo es geboten ist.“ Als Beispiele nannte sie die Bekämpfung von Terror und Einbrüchen. Modder ärgert sich immer noch über die Verweigerungshaltung der FDP gegenüber einem möglichen Ampelbündnis. „Im Wahlkampf haben Sie noch ‚Die neue Ernsthaftigkeit‘ plakatiert, dann schlugen Sie sich schnell in die Büsche.“ Die niedersächsische FDP habe wie die Partei auf Bundesebene agiert: „Keine Koalition, kein Gestaltungswille und kein staatspolitisches Bewusstsein. Ich würde sagen: Die neue Verantwortungslosigkeit“, so Modder.
Mittelmaß und Ambitionslosigkeit prägten den Koalitionsvertrag, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Er warf Ministerpräsident Stephan Weil vor, keine Vision für das Land zu haben. Zudem habe sich die CDU vielfach nicht durchgesetzt. Die Förderschule Lernen werde am Ende abgeschafft. Der Kompromiss im Koalitionsvertrag sei eine Mogelpackung. „Die CDU betreibt damit eine Fortsetzung der rot-grünen Inklusionspolitik“, meinte Birkner.
CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer sprach sich unter anderem dafür aus, in einen handlungsfähigen Rechtsstaat zu investieren. Er attackierte dabei die Grünen. „Ich kenne Gerichtssäle von innen und weiß, wie lange Verfahren teilweise laufen. Da sind wir von Rechtsstaatlichkeit meilenweit entfernt“, sagte der Anwalt. Für ihn trägt daran die ehemalige Justizministerin der Grünen die Schuld.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Landtag, Klaus Wichmann, wurde zu Beginn seiner Rede grundsätzlich. Es ziehe sich ein Riss durch die Gesellschaft. Dieser teile die AfD und teilweise wütende Bürger auf der einen und die etablierten Parteien auf der anderen Seite. „Früher hielten die politischen Gegner ihre jeweiligen Ansichten für falsch. Aber heute halten wir sie für gefährlich. Es ist diese Einschätzung, dass der jeweils andere eine Gefahr für die Gesellschaft ist, die uns unversöhnlich macht und zu einer Feindschaft bringt“, sagte Wichmann.