Darum geht es: Ein besonders kurzer Landtagswahlkampf liegt hinter uns, am Sonntag wird das Parlament neu gewählt. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Der Wahlkampf, der zum Ende der Sommerferien über Niedersachsen hereingebrochen war, am 25. September noch einmal seine Ausdrucksform änderte und uns seit drei Monaten in den Bann zieht, ist übermorgen vorbei. Ab Montag werden die Plakate abmontiert, die Fußgängerzonen werden auf einmal frei sein von den Info-Ständen der Parteien, es wird auch keine Kandidaten mehr geben, die mit Broschüren bewaffnet durch die Wohngebiete ziehen, an den Haustüren klingeln und sich vorstellen: „Guten Tag, ich bin ihr Wahlkreiskandidat…“

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Manche sagen: Gott sei Dank, endlich ist Schluss mit den zugespitzten Botschaften, den gegenseitigen Angriffen und mehr oder weniger witzigen Kampagnen. Andere erwidern: Schade, nun drohen die Politiker für einige Zeit wieder das Interesse an den Menschen zu verlieren, denn sie brauchen ja ihre Stimmen nicht mehr. Für beide Seiten gibt es gute Argumente. Ja, es ist durchaus gut, dass politische Diskussionen nicht mehr verkürzt, emotional aufgebauscht oder dramatisiert werden. Das gibt mehr Raum für die gebotene und immer wieder vermisste Sachlichkeit.

Wahlkampf ist auch eine großartige Bewährungsprobe für jede Partei und jeden Politiker

Auf der anderen Seite gilt: Nein, es ist schlecht, dass der Wettbewerb um die Stimmen bei der Wahl aufhört, denn damit droht die Politik langweiliger und weniger geistreich zu werden. Wahlkampf ist nämlich nicht nur eine riesige Last für die Wahlkämpfer, die kurz vor dem Wahltag vor lauter Termindruck kaum noch wissen, wo ihnen der Kopf steht. Wahlkampf ist auch eine großartige Bewährungsprobe für jede Partei und jeden Politiker – sie müssen austesten, wie sie die Menschen am besten ansprechen und mit ihren Argumenten überzeugen können. Sicher gibt es hier und da Rattenfänger, die mit Ängsten spielen, falschen Behauptungen oder unqualifizierten Verbalattacken. Aber die meisten Wahlkämpfer haben sich in den zurückliegenden Wochen in Niedersachsen die Mühe gegeben, komplizierte Sachverhalte in einer bürgernahen Sprache zu vermitteln. Dafür gebührt ihnen, gleich welcher Partei, ein großer Dank.

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Allerdings ist hier ein Einwand angebracht: Die Verkürzung der Wahlperiode war nach dem Übertritt der Grünen-Politikerin Elke Twesten zur CDU zwar zwangsläufig, da die bisherige rot-grüne Regierung ihre Mehrheit im Parlament verloren hatte. Aber sie war für die Landespolitik an sich nicht segensreich. In der ersten Phase zwischen Anfang August und Ende September standen die Themen des Bundestagswahlkampfes im Fokus, genauer die Frage, ob Angela Merkel Kanzlerin bleiben soll oder nicht. Dann, zumindest in den ersten zehn Tagen nach dem 24. September, beherrschte die Reaktion auf das Bundestagswahlergebnis die Stimmungslage.

Danach blieben bis zum Wahltermin am kommenden Sonntag noch gerade mal rund elf Tage – zu kurz für die jetzt zentralen Fragen: Wie hat die bisherige Landesregierung die wichtigen Aufgabenfelder gemeistert – in der Schul- und Innenpolitik, bei der Infrastruktur und beim Umgang mit Steuergeldern? Welche Konzepte der Parteien sind für die Zukunft besonders überzeugend? Welche Kandidaten wirken so, dass man ihnen am ehesten die Verantwortung für das Amt anvertrauen möchte? Welche politischen Gruppierungen stehen hinter den Kandidaten – und kann man darauf vertrauen, dass diese Gruppen eine Politik zum Wohle des Landes in die Wege leiten werden?

Ein guter Landtagswahlkampf braucht eben Zeit für breite Debatten über Landespolitik. Doch es blieb dafür zu knapp. Umso mehr sollten sich die Wähler am Sonntag aufgerufen fühlen, den Sinn dieses 15. Oktober zu würdigen. Es geht nicht um Reaktionen auf Jamaika, die Flüchtlingspolitik oder Martin Schulz. Es geht um Schule, Polizei, Zukunftsinvestitionen und die Leute, die dieses Land regieren wollen.

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