Der „kleine Parteitag“ der Niedersachsen-CDU hat am späten Montagabend den Koalitionsvertrag mit der SPD einstimmig gebilligt. Alle etwa 90 Delegierten votierten mit Ja. Zuvor hatte der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann in einer leidenschaftlichen Rede teilweise deutliche Kritik an der von ihm verantworteten CDU-Wahlkampfführung geäußert.

Ja zum Koalitionsvertrag, aber keine Partystimmung auf dem Parteitag der CDU – Foto: MB.

Der künftige Vize-Ministerpräsident nannte dabei mehrere Punkte: Er habe, als er nach dreijährigem Auslandsaufenthalt 2016 nach Niedersachsen zurückkehrte, seine Bekanntheit als ehemaliger Kultusminister überschätzt. Beim Thema Volkswagen sei es nicht gelungen, das klare Ja der CDU zur Landesbeteiligung bewusst zu machen. Als der pfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs die Privatisierung von VW gefordert und die Landes-CDU dagegen gehalten habe, seien große organisatorische Probleme der Partei vor Ort deutlich geworden: „Viele Arbeiter haben unsere Flugblättern vor den Werkstoren gar nicht mehr zur Kenntnis genommen.“

Das CDU-Kompetenzteam, sagte Althusmann, habe zu wenig Zeit zur Entfaltung gehabt, außerdem hätten CDU und CSU kurz vor dem Wahltermin noch über Obergrenzen der Zuwanderung gestritten. Besonders erwähnte Althusmann den Fall der von den Grünen zur CDU übergetretenen Abgeordneten Elke Twesten. Dieses Ereignis sei „medial schlecht gelaufen“, die Union habe keine Antwort auf „den Vorwurf einer angeblichen Intrige“ gefunden, eine regelrechte „Kommunikationskrise“ sei entstanden, hob der CDU-Landesvorsitzende hervor.

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Laut Althusmann muss die Kampagnenfähigkeit erhöht werden, das Frühwarnsystem und die Unterstützung für regionale Abgeordnete müssten besser werden. Das Wilfried-Hasselmann-Haus als Landesgeschäftsstelle müsse „professionalisiert“ werden – und ausreichend inhaltliche Kräfte bündeln. Die Partei habe außerdem die Bringschuld, mehr Frauen in wichtige Positionen zu bringen, hob Althusmann hervor. In der CDU-Welt, meint der Parteichef, werde über Verbraucherschutz oft ganz anders gesprochen als in großen Ballungsräumen wie etwa Hannover. Der Wahlforscher Florens Mayer vom Institut Dimap trug anschließend eine längere Wahlanalyse vor und kam zu dem Schluss, dass der Vorsprung der CDU in den Kompetenzwerten gegenüber der SPD zu gering gewesen sei: „Die Oppositionszeit der CDU war zu kurz, um alle Schuld für Missstände Rot-Grün in die Schuhe schieben zu können.“ Die Christdemokraten müssten bei ihren Kernkompetenzen – Wirtschaft, innere Sicherheit und Bildung – ansetzen und Pluspunkte sammeln.

Schattenkabinett ohne „Wow-Effekt“

In der folgenden Aussprache wurde teilweise deutliche Kritik laut. JU-Landeschef Tilman Kuban rügte, beim Schattenkabinett habe „der Wow-Effekt gefehlt“, mit dem Twesten-Übertritt habe die CDU „den Nimbus der Anständigkeit verloren“ und es sei nicht gelungen, den Spitzenkandidaten „als sympathischen Kerl herüberzubringen“. Die CDU sei mit ihren Themen nicht in der Öffentlichkeit durchgedrungen. André Hüttemeyer aus Vechta riet, künftig mehr Mitgliederentscheide anzusteuern. Vertreter aus Gifhorn und Wolfsburg klagten, die IG Metall habe im Raum Wolfsburg die CDU „überrollt“, die CDU habe dagegen keine Chance gehabt.

„Wir müssen wieder an die Gewerkschafter herankommen“, forderte Andreas Kuers aus Gifhorn. Südlich von Celle und Hannover, sagte Kuers, „sind wir völlig rasiert worden“, es gebe dort nur einen einzigen CDU-Bundestagsabgeordneten und kaum Landtagsabgeordnete. Der CDU-Landesvorstand plant, für den Süden „herausragende Politiker als Leuchttürme“ (Althusmann) zu setzen. Mehr dazu soll Anfang 2018 in einer CDU-Klausurtagung besprochen werden.

Die CDU setzte während ihres „kleinen Parteitags“ einen neuen Generalsekretär ein – Nachfolger von Ulf Thiele wird zunächst kommissarisch der 39-jährige Landtagsabgeordnete und bisherige CDU-Kultussprecher Kai Seefried aus Stade. Thiele, der mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde, dürfte einer der Stellvertreter des künftigen CDU-Fraktionschefs Dirk Toepffer werden – überlegt wird, ihm die Zuständigkeit für die Finanzpolitik in der Landtagsfraktion zu übertragen.

Auftritt ohne Rednerpult: Der neue CDU-Generalsekretär Kai Seefried – Foto: MB.

Althusmann sagte, Thiele müsse nach zwölf Jahren eine neue Perspektive erhalten, sonst könne ein „Scheuklappeneffekt“ eintreten. Seefried ging in seiner Vorstellungsrede auf den Wunsch der SPD ein, eine „Niedersachsen-Partei“ oder eine „CSU des Nordens“ zu werden: „Bei aller aktuellen Freundschaft, ich weiß gar nicht, ob ich denen das wünschen soll“, sagte Seefried. Dass die SPD die CDU bei der Landtagswahl überholt habe, müsse „ein einmaliger Ausrutscher“ sein. Die CDU müsse dafür aber „besser die Herzen der Menschen erreichen“.