Landvolk-Präsident Schulte to Brinke: Die Auflagen des Bundes sind fachlich Unsinn
Wenn Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke auf das Jahr 2019 zurückblickt, fallen ihm zunächst die zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen und Sternfahrten ein, die sein Berufsstand in den zurückliegenden Monaten veranstaltet hat. Die Bauern sind sauer auf die Politik, das haben sie immer wieder deutlich gemacht: Im April in Hannover-Herrenhausen, kurz darauf im nordrhein-westfälischen Münster oder bei den Konferenzen der Umwelt- oder Agrarminister.
Bei der Mitgliederversammlung des Landvolks gestern in Hannover stellte Schulte to Brinke aber noch einmal klar: Das Problem sitzt nicht in der Landeshauptstadt, sondern in Berlin. Für die Unterstützung von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) oder von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bedankte er sich sogar. Die Ausweisung der roten Gebiete, in denen die Nitratbelastung angeblich zu hoch ist, betrachtet das Landvolk zwar kritisch. Mit den Vorgaben des Landes komme man aber zurecht, erklärte er. Nicht aber mit den drohenden Vorgaben aus Berlin: „Die Bundes-Auflagen sind fachlich Unsinn“, sagte Schulte to Brinke – um direkt hinterherzuschieben, dass man ihm geraten hatte, das besser nicht zu sagen.
Doch der Ärger über anscheinend unsachliche Entscheidungen treibt die Landwirte um. „Ein pauschales Verbot können wir nicht nachvollziehen.“ Zudem „nerve“ es ihn, so Schulte to Brinke, dass in Berlin nicht registriert werde, dass die Bauern bereits eine Menge täten und dass sich schon vieles geändert habe. Die Nitratmenge sei schließlich in den zurückliegenden beiden Jahren schon reduziert worden, und die Tierbestände würden auch Jahr für Jahr um ein paar Prozent abgebaut.
Ziel der Kritik der Landwirte ist vor allem Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Mit seinem Protest gegen die Bundesministerin habe er eine „zweifelhafte Berühmtheit“ erlangt, lobte Schulte to Brinke sich selbst. Er sei sicher nicht Klöckners „best guy“, sagte er – und stilisiert sich damit als Freiheitskämpfer der Landwirte, was die anwesenden Mitglieder des Landvolks mit viel Applaus quittierten.
Wer bio will, muss bio kaufen. Wer mehr Tierwohl will, darf nicht zum billigsten Schnitzel greifen.
Kritik übte Niedersachsens Bauernverbandspräsident aber nicht nur an der Politik. Auch die Lebensmitteleinzelhandel knüpfte er sich vor – und die Verbraucher. „Unsere Tierhalter brauchen Bewegung in der Politik, bei den Marktpartnern und bei den Verbrauchern. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass wir uns von den Märkten immer weiter entfernen.“ Es drohe, dass Politik und Gesellschaft Deutschlands Tierhalter in eine Museumslandwirtschaft verwandelten, „weil regional definierte Standards global keinen Mehrwert finden.“ Bei dieser Stoßrichtung wusste Schulte to Brinke auch Rainer Beckedorf, Staatssekretär im Landesagrarministerium, an seiner Seite. Beckedorf vertrat Niedersachsens Agrarministerin bei der Landvolk-Mitgliederversammlung und erntete tosenden Applaus für seine Verbraucher-Schelte: „Wer bio will, muss bio kaufen. Wer mehr Tierwohl will, darf nicht zum billigsten Schnitzel greifen.“
Bundesregierung will über Lebensmittelpreise reden
Derweil trafen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesagrarministerin Klöckner zur selben Zeit in Berlin 80 Bauern-Vertretern zum Landwirtschaftsdialog im Bundeskanzleramt. Schulte to Brinke erklärte noch in Hannover, er erwarte von dieser Veranstaltung keine harten Beschlüsse. Aber es sei ein erstes Zusammenkommen, ein gutes Zeichen also.
Tatsächlich einigte man sich auf zwölf Ergebnisse, wie das Bundesagrarministerium in einer Pressemitteilung erklärte. Dazu gehörte etwa, dass eine Zukunftskommission zur Landwirtschaft eingerichtet werden soll. Zudem erklärten Merkel und Klöckner, sie wollten sich mit dem Handel im Kanzleramt treffen, um über die Lebensmittelpreise zu reden. In einem Jahr wolle man erneut zusammenkommen, um zu sehen, wie weit man damit gekommen ist.