Die Corona-Krise hat die Landespolitik fest im Griff. Während die Landesregierung ein Versammlungsverbot erlassen hat, bleiben die kommunalen Gremien und die Ausschüsse und das Plenum des Landtags davon ausdrücklich ausgespart. Nun muss ein Nachtragshaushalt beschlossen werden, der eine Neuverschuldung von einer Milliarde Euro vorsieht. Hinter den Kulissen wurde in den vergangenen Tagen unter den Abgeordneten gerungen, ob man die Sitzung des Landtags wie vorgesehen in der kommenden Woche stattfinden lassen soll.

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Der Ältestenrat tagte am Mittwoch – und er entschied sich für die Sitzung in einem verringerten Umfang von nur einem statt bislang immer drei Tagen. So sollen die Mitarbeiter der Minister möglichst der Veranstaltung fern bleiben, heißt es. Besucher werden schon seit vergangener Woche nicht mehr zugelassen im Landtagsgebäude. Man rechnet damit, dass ohnehin mehrere Abgeordnete nicht nach Hannover kommen wollen, weil sie bereits vorsorglich größeren Menschenansammlungen fernbleiben.

Parlamentarier verweisen auf Vorbildfunktion der Politik

Tatsache ist allerdings: Der Landtag hat 137 Abgeordnete. Sie sitzen im Plenarsaal so, dass sie etwa einen Meter voneinander entfernt sind. Die Sitzung soll planmäßig siebeneinhalb Stunden dauern, länger vermutlich nicht, weil die Tagesordnung stark gestrafft wird und im Wesentlichen nur der Nachtragshaushaltsplan beraten und beschlossen werden soll. Die Geräumigkeit des neuen Plenarsaals stellt sicher, dass genügend Abstand gewahrt werden kann. Das ist die eine Seite.


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Auf der anderen Seite steht die Verfügung der Landesregierung, sogar im privaten Umfeld jegliche Versammlung zu untersagen, die 50 Teilnehmer überschreitet. Die Kreise und kreisfreien Städte sind seit Dienstag aufgefordert, diese Auflage zu verhängen. Zwar sind die Sitzungen kommunaler Gremien und der Landtagsgremien von der Auflage ausdrücklich ausgenommen, doch die Befürworter einer Absage der Landtagssitzung verweisen auf die Vorbildfunktion der Politik: Wenn die Parlamentarier meinen, zusammenkommen zu müssen, dann zeigen sie damit gleichzeitig an, dass die Auflage des Versammlungsverbots so ernst ja gar nicht gemeint gewesen sein kann.

Artikel 44 der Landesverfassung regelt den Notfall

Die Anhänger dieser Denkrichtung verweisen auf Artikel 44 der Landesverfassung, der ausdrücklich eine Regelung für den Fall vorsieht, dass der Landtag wegen „höherer Gewalt“ (und das kann ein gefährliches Virus sein) nicht zusammentreten kann. Die Notverordnung müsste dann „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ Schritte vorsehen. Dies könnte nun das Geld sein, das im Nachtragshaushalt für die Krisenbekämpfung vorgesehen ist. Artikel 44 schreibt vor, dass der Ältestenrat jedem Verordnungsentwurf der Landesregierung zustimmen muss, bevor dieser wirksam werden kann. Außerdem muss der Landtag diese Regeln später, wenn er wieder tagen kann, darüber beraten – und die Vorgaben auf Wunsch wieder aufheben.

Soll man diese Notstandsregel, die bisher nie angewandt worden ist, jetzt nutzen? Einige Politiker meinen, dies solle so sein, denn genau für Fälle wie den aktuellen habe man die Regel in die Verfassung geschrieben. Es gebe keine treffendere Ausgangsposition als die gegenwärtige, die Nutzung einer vorgeschriebenen Ausnahmeregel stärke sogar das Vertrauen in die staatlichen Institutionen.

Andere erwidern, es dürften zwei Haltungen nicht verbreitet werden – die erste, die besagt, dass die Politiker sich aus Angst vor Ansteckung einen schlanken Fuß machen wollten und ihrer Aufgabe nicht nachkommen würden, und die zweite, die besagt, dass die Exekutive in solchen Situationen allein maßgeblich sei und eine politische Debatte über die schon verfügten Notverordnungen nicht mehr stattfinde. Aus diesen beiden Gründen sei es geradezu zwingend, als Parlament Flagge zu zeigen und die Entscheidung nicht allein der Landesregierung zu überlassen.