Soll die Polizei in Niedersachsen künftig zu weitreichende Kompetenzen erhalten, wenn sie zur Vorbeugung möglicher Anschläge gegen verdächtige Personen vorgeht? Diesen Verdacht hegt der „Gesetzgebungs- und Beratungsdienst“ (GBD), ein unabhängiges Gremium von Juristen, das in der Landtagsverwaltung zur Unterstützung der Gesetzesformulierung tätig ist. Im Innenausschuss des Landtags haben Christian Wefelmeier und Dennis Miller vom GBD gestern mehrere der Vorschläge, die Referatsleiterin Uta Schöneberg vom Innenministerium in den Entwurf des neuen Polizeigesetzes  geschrieben hatte, heftig kritisiert. Die SPD/CDU-Vertreter im Ausschuss lenkten dabei an einigen Stellen ein und akzeptieren die Einwände des GBD, in anderen Punkten beharrten sie auf dem ursprünglichen, auch vom Innenministerium verteidigten Entwurf. In den meisten Fällen ging es um die Frage, ob die Formulierungen im Gesetzentwurf noch mit dem Grundgesetz vereinbar sind und sich in die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einfügen.


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Der Konflikt dreht sich beispielsweise um den Katalog an Straftaten, die nach Darstellung des Gesetzentwurfs einen Eingriff der Polizei möglich machen können – in Form einer Observation beispielsweise. Das gilt immer dann, wenn der auf Tatsachen begründete Verdacht besteht, jemand könne eine solche Straftat begehen wollen. Aufgelistet werden hier Vorbereitungshandlungen für eine schwere staatsgefährdende Straftat und auch der Besitz von Waffen, mit denen man Menschen erheblich verletzen kann. Die Kritik des GBD lautet nun so: Mehrere der genannten Straftaten beziehen sich bereits auf Vorbereitungshandlungen – etwa zur Konzeption eines Terroranschlags. Da es aber bei der Gefahrenabwehr im Polizeigesetz hier um die Vorbereitung einer Vorbereitungshandlung gehe, sei die Schwelle, oberhalb der die Polizei bei Verdacht eine Überwachung starten kann, viel zu niedrig gelegt. Der – erlaubte – Besitz einer gefährlichen Waffe allein dürfe noch keine Polizeiaktion auslösen. An dieser Stelle urteile das Bundesverfassungsgericht mittlerweile auch viel strenger als früher. Die Ausschussmehrheit beharrte jedoch darauf, schon am Besitz gefährlicher Waffen als Anlass für eine mögliche Polizei-Observation festzuhalten. Schöneberg vom Innenministerium sagte, die Polizeipraktiker hätten dringend zu diesem Schritt geraten.

Der nächste Streit dreht sich um die Frage, in welchen konkreten Fällen die Polizei tätig werden kann, wenn Personen im Verdacht stehen, Terroranschläge begehen zu wollen. Der GBD moniert, dass das laut Entwurf auch im Vorfeld von ohnehin strafbaren terroristischen Vorfeldhandlungen geschehen solle – also schon vor der Gründung einer Terrorgruppe, vor Bemühungen um illegale Terror-Finanzierungen und ähnlichem. Da die Polizei in diesen Fällen die schärfsten Eingriffe in Grundrechte anwenden wolle, elektronische Fußfessel, Telefon- und Wohnraumüberwachung, stelle sich die Frage, ob das angemessen sei – denn: „Allein die Vorbereitung der Bildung einer Terrorzelle kann den Staat noch nicht erschüttern“, erklärte GBD-Experte Miller. Während Referatsleiterin Schöneberg vom Innenministerium und Karsten Becker (SPD) dafür warben, an dieser Stelle beim Gesetzentwurf zu bleiben, lenkte Sebastian Lechner (CDU) ein: Der Konflikt zwischen GBD und Ministerium solle in diesem Punkt „zurückgestellt“, also erst später entschieden werden. Grüne und FDP hatten darauf beharrt, dass die GBD-Bedenken die Änderung des Entwurfs zur Folge haben müssten.

In zwei anderen Punkten reagiert die Große Koalition unterschiedlich. So war im Entwurf zunächst eine Erzwingungshaft für den Fall vorgesehen, dass „Gefährder“ gegen Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote verstoßen. Das wird als unverhältnismäßiger Eingriff der Polizei angesehen – und soll nun auch aus Sicht von SPD und CDU so nicht im Entwurf stehen bleiben. Was die Präventivhaft für „Gefährder“ angeht, die bis zu 74 Tagen dauern soll, bleibt die CDU dabei, es bei dieser Frist zu belassen – zumal in jedem Fall schon frühzeitig ein Richter eingeschaltet werden soll, um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im konkreten Einzelfall zu beurteilen.