Landesregierung denkt über private Investoren für die Uni-Kliniken nach
Rätselraten herrscht im Landtag, die Landesregierung will am morgigen Mittwoch erst im Haushalts- und dann noch im Wissenschaftsausschuss des Landtags über aktuelle Ereignisse rund um das ehrgeizigste Bauprojekt Niedersachsens berichten. Es geht um Neubau und Sanierung der beiden Uni-Kliniken MHH in Hannover und UMG in Göttingen. Mutmaßungen machen die Runde: Wird das ganze Modell umgekrempelt?
In den vergangenen Wochen hatte sich die Lage zugespitzt. Anfang März, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Krise, wurden Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe der UMG bekannt. Die Dachgesellschaft der Landesregierung stellte gravierende Vergabemängel fest, außerdem ein Ausufern der Kosten. Das Verfahren wurde vorläufig gestoppt. Wenige Wochen später legte der Landesrechnungshof seinen Jahresbericht vor, und darin war eine ernste Mahnung enthalten: Es fehle ein Gesamtkonzept für die beiden Uni-Kliniken, als drittes Standbein solle Oldenburg hinzukommen, das werde aber extrem teuer (geschätzt mit einem Finanzbedarf von 50 Millionen Euro jährlich in der Endausbaustufe).
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Außerdem würden allein für MHH und UMG nach Schätzungen der Rechnungsprüfer 3 Milliarden Euro fehlen. Für das bisherige „Sondervermögen“, einer vom Land speziell für diese beiden Großprojekte angelegten „Sparkasse“ des Landes, sind bislang 2,1 Milliarden Euro geplant. Davon liegen erst rund eine Milliarde Euro bereit, und der noch gültige alte Plan besagt, von 2024 an bis 2034 die restliche Milliarde in kleinen Schritten dafür noch aufzubringen.
Neustart und neues Konzept für die UMG
Aber geht das überhaupt, noch dazu in der Nach-Corona-Zeit? Manche Hinweise, die in Regierungskreisen zu vernehmen sind, deuten auf einen Neustart zumindest für die UMG, womöglich mit einem völlig neuen Konzept. Denn die Corona-Krise hat die Ausgangslage extrem verändert, in mehrerlei Hinsicht. Erstens hatte der Rechnungshof schon vor Jahren die offizielle Berechnung, beide Projekte kosteten zusammen rund 2 Milliarden Euro, in Frage gestellt – und seine Summe von mindestens 5 Milliarden für realistischer gehalten. In den vergangenen Jahren konnte die Regierung immer gelassen reagieren und mitteilen, mit einem Teil der kräftig sprudelnden Steuereinnahmen das Sondervermögen anzufüttern.
Nun aber ist die Lage umgekehrt: Sprudelnde Steuereinnahmen dürfte es in den kommenden Jahren wohl nicht mehr geben, aber der Bedarf an zusätzlichen Ausgaben des Landes wächst rasant in anderen Bereichen, etwa in der Wirtschaftsförderung oder im Infrastrukturausbau. Plötzlich stehen MHH und UMG in starker Konkurrenz zu anderen Empfängern, die nach erheblichen zusätzlichen Investitionen des Landes Niedersachsen schreien. Damit entsteht die Gefahr, dass bei – bisher schon – steigenden Baupreisen die demnächst mögliche finanzielle Grundausstattung des Sondervermögens nicht mehr so gut möglich wäre, sich also die Baufertigstellung von MHH und UMG verzögern würde. Mindestens 15 Jahre bis zur Eröffnung sind bisher grob geschätzt worden. Es könnte nun aber noch viel länger dauern. Dabei hat Corona gezeigt, wie nötig eine rasche Fertigstellung der hochmodernen Uni-Kliniken wäre.
Chef der Dachgesellschaft offen für ÖPP-Modell?
Nun hat die FDP den interessanten Vorschlag unterbreitet, das bisherige Verfahren zu stoppen und neu zu beginnen – unter Einbeziehung von privaten Investoren, die einen Großteil der Summe tragen könnten. So wäre es über dieses ÖPP-Modell möglich, meint der FDP-Haushaltsexperte Christian Grascha, schon heute größere Summen zu mobilisieren und damit einen weitaus rascheren Baufortschritt zu ermöglichen. Vielleicht eine komplette Fertigstellung schon in zehn Jahren? Dieser Gedanke ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens steht an der Spitze der landeseigenen Dachgesellschaft, die bisher die Landesinvestitionen beaufsichtigt und kontrolliert, der Jurist Burkhard Landré, der zwischen 2009 und 2019 für „Partnerschaft Deutschland“ auch an ÖPP-Projekten gearbeitet hat – und früher bei PricewaterhouseCoopers (PwC) tätig war. Man darf ihm schon aufgrund seines Berufsweges unterstellen, gegenüber ÖPP durchaus aufgeschlossen zu sein.
Das gilt prinzipiell auch für die CDU in der Landesregierung, während unter den Sozialdemokraten bisher die Skeptiker zu überwiegen schienen. Den ideologischen Charakter hat die Debatte allerdings in den vergangenen Jahren verloren, galten früher doch die Befürworter als Diener des Kapitalismus und die Verteidiger einer rein staatlichen Finanzierung als Hüter der Unabhängigkeit der öffentlichen Hand. Nur nützt diese Unabhängigkeit indes wenig, wenn schlicht das nötige Geld für einen großen Wurf fehlt.
Vorbild: Uniklinik in Lübeck und Kiel
Die Blicke unter den Haushaltspolitikern im Landtag richten sich inzwischen nach Schleswig-Holstein. Die dortige Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP hat vor Jahren den Weg beschritten, das Uni-Klinikum mit Standorten in Lübeck und Kiel über private Investoren zu finanzieren, und die Befürworter halten das für ein positives Musterbeispiel. Allerdings hat die Corona-Krise auch das schleswig-holsteinische Modell leicht ins Wanken gebracht.
Der Vorstandsvorsitzende des Klinikums hat kürzlich in einem internen Brief, der dann öffentlich wurde, eine finanzielle Stütze des Landes von jährlich 130 Millionen Euro gefordert. Auch eine vollständige Entschuldung des Uni-Klinikums – von 400 Millionen Euro ist die Rede – sei nötig. Die Kieler Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen soll sich daraufhin bei der Klinik-Leitung erkundigt haben, warum man plötzlich nicht mehr meine, dass sich das ÖPP-Modell über die Rendite selbst rechne. Liegt das womöglich daran, dass eine lange Abschreibung der Investitionen für medizinische Ausrüstung unrealistisch ist, da der technische Fortschritt in kürzeren Zeitabständen dazu zwingt, die Gerätschaften auf den neuesten Stand zu bringen?
Der Vorstandsvorsitzende des Uni-Klinikums in Schleswig Holstein heißt übrigens Jens Scholz, ist in Osnabrück geboren und hat einen prominenten älteren Bruder – den Bundesfinanzminister Olaf Scholz, den man derzeit mit Fug und Recht den Tonangeber der sozialdemokratischen Finanzpolitik in Deutschland nennen kann. Was die UMG angeht, teilt das niedersächsische Wissenschaftsministerium gestern auf Anfrage mit, man prüfe derzeit die Frage des Vergaberechts – und die Uni Göttingen als Stiftungsuni und Bauherrin werde mögliche Änderungen eigenverantwortlich festlegen. Man darf gespannt sein. (kw)