Land, Kommunen und Busbetreiber ringen um 90 Millionen Euro
In den nächsten Tagen liegt beim Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) ein Gutachten in der Post. Es geht dabei um den Paragraph 45a im Personenbeförderungsgesetz – sprich: die Finanzierung der Tickets für Schüler und Auszubildende im öffentlichen Nahverkehr. Die Landesregierung plant eine Kommunalisierung der Mittel. Das Gutachten könnte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen. Aus ihm soll hervorgehen, dass das geplante Gesetz gegen höheres Recht, in dem Fall gegen Bundes- und EU-Recht, verstößt.
Es geht um viel Geld. Fast 90 Millionen Euro erhalten die Verkehrsunternehmen jedes Jahr als Ausgleichsleistung – und zwar direkt vom Land. Die Bus- und Stadtbahn-Unternehmen bekommen das Geld dafür, dass sie Schülern, Studenten und Auszubildenden Rabatte auf Wochen-, Monats- und Jahreskarten geben. Ab dem kommenden Jahr soll das Geld an die Kommunen gehen. So steht es im Gesetzentwurf von SPD und Grünen. Was im Entwurf noch sperrig klingt, verpackte Wirtschaftsminister Olaf Lies in einer Landtagsrede im Juni als „neuen ÖPNV“. Damit würden Ausgaben- und Aufgabenverantwortung zusammengeführt. Die Gesetzesänderung stärke die Kommunen, die Fläche und den Öffentlichen Personennahverkehr.
Daran haben die privaten Busbetreiber so ihre Zweifel. Denn das Geld würde in Zukunft eine zusätzliche Schleife drehen. Statt direkt vom Land an die Betreiber zu gehen, würde mit den Kommunen eine Ebene zwischengeschaltet. Ob dann von den 90 Millionen auch genau 90 Millionen weitergegeben werden? Bei einem Treffen im Wirtschaftsministerium, an dem auch Vertreter von Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) und Landkreistag teilnahmen, haben GVN-Vertreter am vergangenen Freitag genau daran noch einmal Zweifel angemeldet. Stärkung für die Kommunen: kann schon sein. Stärkung für den Öffentlichen Personennahverkehr: eher nicht. Der GVN ist dafür, die Regelung genauso so zu belassen, wie sie jetzt ist – ohne kommunale Zwischenebene. Die Mehrheit der rund 130 Verkehrsunternehmen im Land sind Private.
Seitens der Landesregierung gibt es bisher keine Signale, auf die privaten Betreiber zuzugehen. Im Gegenteil: Die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) beschreibt auf ihrer Internetseite den Reformprozess des § 45a und schafft schon einmal Fakten. „Durchgesetzt hat sich die Variante einer Kommunalisierung“, heißt es. „Damit soll es ab 2017 zu einer Verlagerung der Aufgabe und ihrer Finanzierung von der LNVG auf die Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte kommen.“ Dass es noch keine Entscheidung des Parlaments dazu gibt? Eine politische Lappalie.
Überhaupt zeigt die Landesregierung in diesem Fall einen etwas schluderigen Umgang mit den Rechten des Parlaments. So wollte man bereits vor dem Beschluss die LNVG bei allen Verkehrsunternehmen Daten zu Fahrplankilometern und Ausgleichszahlungen sammeln lassen. Das wollten die privaten Betreiber nicht mit sich machen lassen und zogen vor Gericht. Denn dadurch hätten sie ihre internen Kalkulationen offenlegen müssen, bevor das überhaupt per Gesetz hätte notwendig sein können. Das Verwaltungsgericht Hannover stoppte das Vorhaben am 15. Juli. Jetzt liegt das Sammeln der Daten erst einmal auf Eis.
Ein Termin in der nächsten Woche ist in den Kalendern von Befürwortern und Gegnern der 45a-Reform schon fett markiert: Am 25. August findet in Raum 1305 des Niedersächsischen Landtags die Anhörung im Wirtschaftsausschuss statt. Dort will der GVN dann zum ersten Mal das Gutachten auf den Tisch legen, welches die Reform juristisch in Frage stellt. Allerdings kann sich die Landesregierung eigentlich keine Unsicherheit erlauben, denn sie hat die laufenden Verträge zum Jahresende gekündigt. Wenn das Gesetz scheitert, gilt ab dem 1. Januar das alte Personenbeförderungsrecht des Bundes. Wer dann wieviel Geld bekommt, weiß sogar in Expertenkreisen niemand so genau. (MB.)