„Wir leben in historisch sicheren Zeiten“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gestern bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik für 2019. Die Zahl der Straftaten nehme insgesamt ab, die Aufklärungsquote steige gleichzeitig an. Nur in einem Phänomenbereich ist für das vergangenen Jahr ein enormer Anstieg der Fallzahlen festzustellen: bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die Zahl stieg in diesem Bereich um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 8045 Fälle an. Vergewaltigungen und Nötigungen seien dabei aber ein immer kleinerer Teil, berichtete Landespolizeipräsident Axel Brockmann. Hier wurde ein Rückgang von 3 Prozent verzeichnet.


Lesen Sie auch:

Weniger Kriminalität – aber in einem Bereich steigen die Zahlen

Wie Computerprogramm die Polizei beim Sichten von Kinderpornos entlasten sollen

Kommission rät, Hilfsangebote für Missbrauchsopfer übersichtlicher zu strukturiert


Einen enormen Anstieg gab es hingegen bei der Herstellung, Verbreitung und beim Besitz von pornografischem Material. Um 47 Prozent seien hier die Fallzahlen im Vergleich zu 2018 gestiegen und erreichten in 2019 einen Spitzenwert von 2517 Delikten. Das sei zum einen darauf zurückzuführen, dass durch automatisierte Meldung und auch regelmäßige Berichte aus den Vereinigten Staaten mehr Vergehen aufgedeckt werden. Zum anderen steige aber auch durch die technischen Möglichkeiten die Gelegenheit, pornografisches Material zu erstellen und zu verbreiten. Hinzu komme, dass immer mehr Kinder und Jugendliche unreflektiert dazu beitragen, dass kinderpornografisches Material in Umlauf gerät, erläuterte Brockmann.

Oftmals ohne pädophilen Hintergrund würden über WhatsApp-Gruppen Nacktbilder oder Videos verbreitet. Das nehme zu, weil sich Minderjährige – zunächst freiwillige – solche Dateien zusenden, die dann unerlaubt in Umlauf gebracht würden. Damit korreliert auch der Anstieg bei der Zahl der tatverdächtigen Kinder. Diese ist laut Statistik um 12 Prozent auf 7840 Personen angestiegen. Der Landespolizeipräsident sieht es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dagegen vorzugehen. So gebe es eine Kampagne des Kultusministeriums, bei der mithilfe der Schulen und Schulelternräte über die Problematik aufgeklärt werden soll. „Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Schulen, Elternhaus und am Ende auch von der Polizei“, ergänzte Pistorius.

Opferzahlen sind leicht gestiegen

Insgesamt ist die Zahl der Opfer von Straftaten leicht angestiegen. Ein Schwerpunkt liegt dabei laut Statistik auf der häuslichen Gewalt. Bei den Straftaten gegen das Leben verzeichnet die Kriminalitätsstatistik einen deutlichen Rückgang. Die Fallzahl sank von 431 auf 364 Vergehen, das entspricht einer Verringerung von über 15 Prozent. Der Wert pendele sich damit wieder auf einem „normalen“ Niveau ein, führte Brockmann aus. In den vergangenen Jahren sei die Fallzahl wegen der sogenannten Soko „kardio“, die gegen den oldenburgischen Krankenpfleger Niels H. ermittelt hatte, stark angestiegen.

Bei den Wohnungseinbrüchen konnte 2019 ein Langzeittief erreicht werden, nur 9456 Fälle wurden da registriert. Die Quote der versuchten Wohnungseinbrüche, bei denen die Einbrecher wieder abziehen mussten, stieg dabei auf ein Allzeithoch von über 42 Prozent. Pistorius schlussfolgert daraus, dass sowohl die Aufklärungsmaßnahmen als auch eine erhöhte, zielgerichtete Polizeipräsenz Wirkung zeigten. Die Übergriffe auf Polizisten sind 2019 allerdings angestiegen, 3260 Fälle wurden registriert mit insgesamt über 6000 Opfern. Die Zahl der Übergriffe auf Rettungskräfte stagnierte bei 244 Fällen.