Der rot-grüne Entwurf für die Änderung des Polizeigesetzes stößt bei Polizeipraktikern und Juristen auf heftige Gegenwehr. Der Landesvorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten (BdK), Ulf Küch, nannte die Reformvorschläge im Gespräch mit dem Rundblick „kontraproduktiv“: „Da werden Vorschläge unterbreitet, die nicht zu den aktuellen Herausforderungen der Kriminalitätsbekämpfung passen.“ Auch vom Niedersächsischen Richterbund (NRB) kommt Kritik: Manche Bestimmungen würden die Arbeit der Polizei zu sehr gängeln.

Praxisferne Regeln für die Polizei? Am geplanten Polizeigesetz gibt es Kritik - Foto: Gerhard Seybert

Praxisferne Regeln für die Polizei? Am geplanten Polizeigesetz gibt es Kritik – Foto: Gerhard Seybert

Der Entwurf des Polizeigesetzes, das künftig „Gesetz über die Abwehr von Gefahren“ heißen soll und im August das Kabinett passiert hatte, wird nun im Landtag beraten. Nächste Woche ist dazu eine Anhörung geplant. Scharfe Kritik übt BdK-Chef Küch an mehreren Punkten – so unter anderem an dem Plan, den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ aus dem bisherigen Gesetz zu streichen: „Dann kann man nicht mehr effektiv gegen exzessiven Alkoholkonsum auf Straßen und Plätzen vorgehen.“ Viele Satzungen in den Kommunen, die auf den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ eingehen, müssten geändert werden. Der Richterbund sieht es ähnlich und erwähnt den Fall eines Mannes, der an einer Rolltreppe an der U-Bahn Frauen bedrängt. Man brauche dort das Rechtsgut der „öffentlichen Ordnung“, um gegen den Mann vorzugehen.

Umstritten ist außerdem der rot-grüne Plan, anlasslose Polizeikontrollen etwa im Straßenverkehr an eine Bedingung zu knüpfen, nämlich die Genehmigung des Dienststellenleiters – und dies auch noch schriftlich begründen zu müssen. „Bisher gibt es diese Auflage nicht, und wir haben viele Fälle mit internationalen Tätergruppen, sei es bei Wohnungseinbrüchen, Autoaufbrüchen oder auch im Terrorismus. Wenn jeder Polizist künftig vor einer Kontrolle erst den Vorsitzenden anrufen und nachts aus dem Bett klingeln muss, wird er womöglich lieber darauf ganz verzichten. Es werden also weniger Kontrollen stattfinden“, befürchtet Küch. Die vorgeschlagene Regel sei „praxisfern“. Der Richterbund spricht hier von einer „nicht geboten erscheinenden Beschränkung der Polizeiarbeit“.

Auch die Reform der sogenannten „Gefährderansprache“ teilt die Geister. Es geht darum, dass die Polizei bestimmten Personen auferlegen kann, bestimmte Gebiete zu meiden – beispielsweise gewalttätigen Hooligans bei Fußballspielen. Bisher sind die Bedingungen dafür nicht näher definiert, künftig soll festgelegt werden, dass dies vor der Haustür zu geschehen hat, damit die Unverletzlichkeit der Wohnung gewahrt bleibt. Sind Minderjährige betroffen, soll zudem ein Erziehungsberechtigter anwesend sein. „Unsere Erfahrung ist, dass Jugendliche in solchen Situationen erst recht nicht auf ihre Eltern hören wollen.“

Streit gibt es auch über die Frage, ob V-Leute der Polizei, die länger als sechs Monate im Einsatz sein sollen, erst nach Anordnung durch ein Amtsgericht eingesetzt werden können. Rot-Grün schlägt dies vor, der BdK aber sieht „erhebliche praktische Schwierigkeiten, die zu einer erheblichen Gefährdung der eingesetzten Vertrauenspersonen führen würden“. Der Kreis derer, die über solche Einsätze Bescheid wissen, sei bisher sehr klein. Wenn nun auch noch die Amtsgerichte einbezogen werden sollten, müssen zuvor deren Geschäftsabläufe verändert werden.

Einen wichtigen Hinweis hat auch die Gewerkschaft der Zollbediensteten gegeben: Da die Zollbeamten im Polizeigesetz bisher nicht erwähnt sind, könnten sie bei ihren Kontrollen auch einen angetrunkenen Autofahrer nicht von der Weiterfahrt abhalten. Auch könnten die Zollbehörden Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter nicht unterstützen, falls diese selbst in Gefahr geraten sollten.