Kriminalbeamte fordern „Cold Case“-Einheiten, um alte Mordfälle aufzuklären
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert eine neue Strategie des Landes zur Aufarbeitung sogenannter „Cold Cases“, also bisher ungeklärter Tötungsdelikte der Vergangenheit. Nach den Worten von BDK-Landeschef Matthias Karsch soll es künftig in den fünf Flächenpolizeidirektionen Einheiten mit jeweils bis zu fünf Beamten geben, die sich speziell um diesen Bereich kümmern. Bislang liegt die Verantwortung für „Cold Cases“ zentral beim Landeskriminalamt. Bei einem bevorstehenden Treffen zwischen Innenminister Boris Pistorius und dem Landesvorsitzenden des BDK, Matthias Karsch, wollen die Kriminalbeamten ihre Position mit Nachdruck vortragen.
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Hintergrund der Forderung die aktuelle Bearbeitungssituation von „Cold Cases“ in Niedersachsen. Bisher sei es so, dass die Beamten vor Ort sich nur um unaufgeklärte Fälle kümmern können, wenn sie gerade keinen anderen Fall haben. „Das ist aber nicht sehr oft der Fall, oder wenn, dann nur mal für ein paar Tage“, sagt Karsch im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Dabei seien gerade die mehr als 300 unaufgeklärten Fälle eine extreme Belastung für die Angehörigen der Opfer. „Die Forderung soll aber keinesfalls als Fingerzeig auf bisher ermittelnde Kollegen verstanden werden.“
Anderer Ansatz im Innenministerium
Vorgeschlagen wird von Karsch, in den Flächenpolizeidirektionen im Land spezielle Ermittlungseinheiten aus bis zu fünf Beamten aufzubauen. Unter der Leitung eines erfahrenen Ermittlers könne sich jedes Team dann konzentriert um die „Cold Cases“ kümmern. Dabei könne der Leiter von weiteren Ermittlern aus der Mordkommission und sogar fachfremden Polizeikräften unterstützt werden. „Denn die Expertise etwa eines Fachmannes für Computerkriminalität kann in einigen Fällen einen Vorteil bringen“, sagt Karsch. Vorstellbar sei es auch, weitere Experten hinzuzuziehen – etwa Kräfte, die in einem Wahlpflichtkurs an der Polizeiakademie Niedersachsen ausgebildet werden. Dabei könnten die Studenten neuartige Ermittlungsansätze in die Aufarbeitung der Altfälle einbringen.
Das niedersächsische Innenministerium verfolgt bisher einen anderen Ansatz und hat die Kompetenz für „Cold Cases“ in die Hände des Landeskriminalamtes gelegt. Aktuell wird nach Angaben eines Sprechers in Zusammenarbeit mit den Polizeidirektionen an einem „Konzept zur Erfassung von ungeklärten Tötungsdelikten in Niedersachsen“ gearbeitet. Dazu erfasst das LKA in einem ersten Schritt alle „Cold Cases“, überprüft diese dann auf neue Spuren und leitet diese Informationen an die zuständigen Polizeidirektionen vor Ort weiter.
Für Matthias Karsch kann das nur ein erster Schritt sein, der aber nicht befriedigend sei. In einer Antwort auf eine Frage des FDP-Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen erklärt die Landesregierung, dass es personelle Engpässe in diesem Bereich nicht gebe. Der BDK hingegen verweist auf das Beispiel Hamburg. Die dortige Polizei habe im Jahr 2016 eine Sonderermittlungsgruppe „Cold Cases“ eingerichtet. Die zuständigen Beamten arbeiteten seitdem an 18 Fällen und hätten sechs bereits erfolgreich aufgeklärt. Nach Angaben von Karsch kann das ein Ansatzpunkt sein, auch wenn die Bedingungen eines Stadtstaates wie Hamburg nicht auf ein Flächenland wie Niedersachsen übertragbar seien.