Eigentlich sollte die Koalition aus Union und SPD im Bundestag in diesen Tagen einen Kompromiss schmieden zu der Frage, nach welchen Regeln künftig die Gemeinden in Deutschland ihre Grundsteuer erheben können. Das Bundesverfassungsgericht verlangt bis Ende 2019 einen Beschluss über ein neues Gesetz (mit Auswirkungen dann ab 2025), andernfalls würde die Möglichkeit für Kommunen, Grundsteuern zu erheben, von 2020 an ganz wegfallen. Das hieße Mindereinnahmen für alle Gemeinden von jährlich 14 Milliarden Euro.

Schickte vergangene Woche einen Entwurf an die Finanzministerien der Länder: Bundesfinanzminister Olaf Scholz – Foto: SPD Hamburg/Sabrina Theissen

Als vor drei Wochen aus Bayern scharfe Kritik an Überlegungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu einem neuen Gesetz laut wurden, rechneten viele damit, dass sich vor allem Scholz und CSU-Chef Markus Söder noch verständigen würden. Das geschah allerdings nicht, vielmehr eskaliert gerade der Konflikt. Am späten Dienstagabend verschickte Scholz einen Entwurf an die Finanzministerien der Länder, von dem es aus der Union heißt, dass dieser gar nicht mit dem Kanzleramt abgestimmt sei. Nun passiert in Berlin ein Schwarze-Peter-Spiel: Aus dem Bundesfinanzministerium wird verbreitet, Scholz habe das Konzept sehr wohl dem Kanzleramt zugeleitet – und dort habe man ihm nicht widersprochen. Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird entgegnet, eine „Abstimmung“ müsse anders laufen, sie verlange, dass der Minister vorher auf die Kanzlerin zugeht und fragt, ob sie mit diesem Weg einverstanden sei. Das sei aber unterblieben.

Bei den niedersächsischen Kommunen geht es um 1,4 Milliarden Euro jährlich, der Wegfall würde nicht nur ein großes Loch in die Gemeindehaushalte reißen, sondern auch die Debatte über eine Ausfallentschädigung in Gang bringen. Hintergrund der Auseinandersetzung in der Berliner Koalition sind die unterschiedlichen Ansprüche der Parteien. Die SPD-Seite möchte die Grundsteuer am Wert der Immobilie bemessen, die Unionsseite will sich auf Gebäudegröße und Grundstücksfläche beschränken, allerdings auch die Bodenrichtwerte einbeziehen. Die Union meint, alles andere setze aufwendige Berechnungen in Gang, die man vermeiden solle.


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In der SPD heißt es, die Besteuerung solle gerecht sein, daher gehöre die Wertermittlung dazu. In den Großstädten, wo Immobilien derzeit immer teurer werden, droht damit ein kräftiger Anstieg der Steuer. Scholz will das Mietniveau einbeziehen, plant aber offenbar Abschläge für Wohnungsgenossenschaften und gemeinnützige Gesellschaften. Er setzt wohl auch darauf, dass die Kommunen mit niedrigen Hebesätzen gegensteuern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler aus Göttingen spricht von einem „wahren Bürokratiemonster“, Scholz selbst habe angedeutet, für die Umsetzung der komplizierten Neuregelungen 4000 Stellen in der Finanzverwaltung zu benötigen. Die Kommunen betrachten die Debatte mit Skepsis, da sie fürchten, die Länder könnten die Last der Berechnung von ihrer Finanzverwaltung auf die Kommunen abwälzen wollen.

Union hält Scholz‘ Pläne für verfassungswidrig

Anfang Februar hatte es nach einer nahenden Einigung ausgesehen, dann kam der Streit zwischen Scholz und Söder. Anschließend war vermutet worden, der Bundesfinanzminister bewege sich noch auf die unionsgeführten Länder zu und pauschalisiere seine Vorstellungen zur Wertermittlung. Dafür gibt es jetzt allerdings keinerlei Anzeichen, vielmehr ist die Detailtiefe seiner Vorschläge sehr groß. Söder hatte vehement eine „Öffnungsklausel“ verlangt, also das Recht für Bundesländer, von einem komplizierten Bundesgesetz abweichen zu wollen. Im Scholz-Konzept ist das aber offenbar nicht vorgesehen. Obwohl sich CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer kürzlich dahingehend äußerte, dass auch Niedersachsen sein eigenes Gesetz ausfertigen könne, ist dieser Weg nicht wirklich im Interesse der SPD/CDU-Koalition in Niedersachsen – denn das würde den derzeit auf Bundesebene ausgebrochenen Konflikt rasch auf Hannover verlagern, da auch hier die Vorstellungen von Sozial- und Christdemokraten auseinandergehen.

Ein juristischer Streit überlagert das alles zusätzlich: Die Union meint, das neue Scholz-Modell sei verfassungswidrig, da der Bund nach Artikel 125 a des Grundgesetzes allein „eine Fortführung“ bestehender Gesetze regeln könne – beim Scholz-Plan handele es sich aber um einen völlig neuen Weg. Aus Scholz‘ Umfeld wird entgegnet, nach Artikel 72 habe der Bund eine Gesetzgebungskompetenz, sofern diese der Herstellung „gleichwertiger Lebensbedingungen“ in Deutschland diene. Darauf erwidert die Union, dieses Argument könne hier nicht greifen, da die Grundsteuer in Deutschland wegen der kommunalen Hebesätze höchst unterschiedlich sei – und sie eben nicht die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ausdrücke oder zum Ziel habe.