Konjunktur: Die Krise bleibt (vorerst) aus
Angesichts einer stagnierenden Wirtschaft müssen die Kommunen nach Meinung der Industrie- und Handelskammer ihre Ausgaben überprüfen. „Die Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, dass die Steuerquellen sprudeln und man dadurch sehr expansiv planen konnte“, sagte Horst Schrage, Hauptgeschäftsführer der IHK Niedersachsen (IHKN), am Dienstag in Hannover.
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Aus der aktuellen Konjunkturumfrage werde deutlich, dass die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung zurückgehe. „Die Erträge der Unternehmen werden sich deshalb nicht so rosig entwickeln wie in den vergangenen vier oder fünf Jahren, als es kontinuierliche Wachstumsraten gab“, mahnte Schrage. Es sei deshalb berechtigt, gerade im Hinblick auf die öffentlichen Haushalte vor einer ungünstigen Entwicklung zu warnen. Insgesamt sei man aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. „Wenn nur neun Prozent der Unternehmen mit der aktuellen Lage nicht zufrieden sind, dann erfordert es schon viel Phantasie, von einer Krise zu sprechen.“
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Das Wort Rezession wolle er nicht in den Mund nehmen, davon sei die niedersächsische Wirtschaft weit entfernt. Ein Drittel der Unternehmen bezeichne die Geschäftslage immer noch als gut, 58 Prozent seien zufrieden. Der Konjunkturklimaindikator gab zum fünften Mal in Folge nach. Er liegt mit derzeit 110 Punkten aber immer noch über dem langjährigen Durchschnitt. Insgesamt hatten sich an der IHKN-Konjunkturumfrage knapp 2000 Unternehmen beteiligt.
Die Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, dass die Steuerquellen sprudeln und man dadurch sehr expansiv planen konnte.
Als größtes Risiko bezeichnen die Unternehmen erneut den Fachkräftemangel. In einer Rangliste liegt er mit 57 Prozent auf Platz 1. Der Wert steige von Quartal zu Quartal weiter, sagte Schrage. Das Problem sei nicht schnell zu lösen und werde die Wirtschaft auch in den nächsten Jahren weiter begleiten. Mit 48 Prozent auf dem zweiten Platz liegen bei den größten Risiken die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Laut Schrage kritisierten die Unternehmen vor allem die Bürokratie und eine „Unstetigkeit der Politik“. „Früher hatten wir einmal den Begriff der ‚ruhigen Hand‘ in der Politik. Der scheint inzwischen abwesend zu sein“, sagte der IHKN-Hauptgeschäftsführer. Häufig sei die Planbarkeit nicht mehr gegeben, weil sich Regulierungen und Vorgaben sehr kurzfristig änderten. Dadurch gebe es teilweise wenig verlässliche Bedingungen für Investitionen.
In einer Umfrage des Verbands Niedersachsenmetall hatten 92 Prozent der Unternehmen im März das Risiko einer „politischen Führungsschwäche“ beklagt. Das Land falle von einem Erregungszustand in den anderen, ohne das die politische Führung sich dazu erkennbar äußere und Position beziehe, mahnte Verbands-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt bei der Vorstellung der Zahlen. „Ich warne davor, mit dem Industriestandort Roulette zu spielen“, sagte Schmidt.
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Auch auf Bundesebene hatte es aus der deutschen Wirtschaft zuletzt erneut massive Kritik an der Bundespolitik gegeben. „Immer mehr Bürokratie, immer mehr Auflagen, wir spüren konkret keinerlei Verbesserungen. Wir werden einfach zu wenig wertgeschätzt“, sagte Ingeborg Neumann, Vizepräsidentin des Bundesverband der deutschen Wirtschaft (BDI) der Deutschen Presse Agentur. Die nach unten korrigierte Konjunkturprognose der Bundesregierung sei mehr als ein Weckruf. Neumann sprach von einem Alarmzeichen. Man könne nicht immer nur den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft in Sonntagsreden loben, aber praktisch nichts für bessere Rahmenbedingungen tun.