Der Vorschlag der Koalition, den Gemeinden das Recht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen für Straßen zu belassen, erntet ein unterschiedliches Echo. In einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags zeigten sich gestern die Vertreter der Kommunalverbände zufrieden. Scharfe Kritik kam hingegen von den Sprechern zweier Bürgerinitiativen. Hubert Hansel aus Stade, Sprecher des „Niedersächsischen Bündnisses gegen Straßenausbaubeiträge“, nannte die gegenwärtige Regelung „eine Ungerechtigkeit“, die abgeschafft werden müsse. Prof. Lutz Hambusch ergänzte, die rechtliche Begründung sei „höchst zweifelhaft“. In einigen Ländern wie Bayern und Brandenburg hatten entsprechende Proteste schon Erfolg gehabt, dort sind solche Beiträge bereits landesweit verboten.

Die niedersächsischen Pläne allerdings, die Regeln nur einzuschränken und abzumildern, sind laut Hansel kein wirkliches Entgegenkommen an die vielen unzufriedenen Bürger, die sich überall in der Bundesrepublik gegenwärtig artikulierten. „Betroffen sind nicht die reichen Vermieter, die diese Kosten auf die Mieter umlegen können. Betroffen sind die Arbeiter, Angestellten und Rentner, die als Hauseigentümer plötzlich mit hohen Geldforderungen konfrontiert sind. Diese Leidtragenden sind doch die verschwunden Wähler der großen Volksparteien“, erklärte Hansel und forderte: „Holen Sie diese zurück“.

Seit vielen Jahrzehnten ist im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz eine Bestimmung enthalten, die es den Gemeinden erlaubt, die Kosten für den Ausbau ihrer eigenen Anlieger- und Durchgangsstraßen auf die Anlieger umzulegen. Ob eine Gemeinde davon Gebrauch macht, ist ihr nach der gegenwärtigen Rechtslage selbst überlassen. Die FDP-Landtagsfraktion hatte beantragt, diesen Passus aus dem Gesetz zu streichen und damit eine Belastung der Anlieger generell zu untersagen. Zum Ausgleich hatte die FDP einen Betrag von jährlich 50 Millionen Euro für den Kommunalen Finanzausgleich gefordert. CDU und SPD diskutierten über das Thema, in der CDU gab es anfangs Befürworter der FDP-Linie.

Inzwischen aber verständigte sich die Koalition darauf, den Kommunen die Möglichkeit für solche Gebühren zu belassen. Mehrere Einschränkungen allerdings sollten festgelegt werden. So sollen die Kommunen künftig den Betrag, der auf die Anlieger umgelegt wird, mit eigenen Mittel (etwa aus dem Kommunalhaushalt) absenken können. Die Eigentümer von Eckgrundstücken und besonders tiefen Grundstücken sollen entlastet werden können, sodass sie nicht die volle Gebühr leisten müssen. Außerdem soll eine über 20 Jahre sich erstreckende Ratenzahlung zu einem vertretbar niedrigen Zinssatz möglich werden. Alles aber hängt nach diesen Plänen davon ab, dass die jeweilige Gemeinde diesen Weg beschließt.

Kommunen loben GroKo-Kompromiss

In der Sitzung des Innenausschusses lobten Marco Trips vom Städte- und Gemeindebund und Herbert Freese vom Landkreistag die angepeilte Reform. Er meine schon, sagte Trips, dass die Anwohner von Straßen einen Vorteil davon hätten, wenn diese nach einer gewissen Zeit ausgebaut wird. Daher könne man sie auch zur Kostendeckung heranziehen. Wenn Besitzer von Eckgrundstücken entlastet werden sollen, dürfe das aber nicht zu Lasten des Gemeindehaushalts, sondern es müsse zu Lasten aller anderen Beitragszahler geschehen. Freese sagte, vor 20 Jahren habe das Oberverwaltungsgericht Lüneburg einer Stadt untersagt, den Gesamtaufwand der umzulegenden Kosten eigenmächtig abzusenken.

Dies soll nun ausdrücklich gesetzlich erlaubt werden. „Wir werden sehen, wie die Rechtsprechung das sieht“, erklärte Freese. Der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen meinte, die Kostenbeteiligung von Anwohnern beim erstmaligen Bau einer Straße sei absolut in Ordnung – „aber die viele bringt es auf die Palme, wenn sie dann ein zweites Mal dafür zahlen sollen“. „Das geschieht dann, wenn die Straße kaputt ist – und was kaputt ist, muss nun mal repariert werden“, entgegnete Trips vom Städte- und Gemeindebund.

Hubert Hansel von der Bürgerinitiative schlägt vor, von allen Dienstleistern, die Rohre und Leitungen in der Straße vergraben, eine Gebühr zu verlangen, statt die Anwohner zur Kasse zu bitten. Der „Verband Wohneigentum“ schlägt vor, die Kosten „auf alle Nutzer der Straßen“ umzulegen. Das „Aktionsbündnis soziale Kommunalabgaben“ argumentiert ähnlich: Straßen könnten von jedermann als Verkehrswege genutzt werden, ein Privileg für die Anlieger folge daraus nicht – also falle die Begründung für die Beitragspflicht auch schwer.