Eigentlich soll 2022 das digitale Zeitalter in den Behörden anbrechen. Das Onlinezugangsgesetz des Bundes gibt schon seit 2017 vor, dass die Bürger in anderthalb Jahren die Möglichkeit haben sollen, fast 600 Leistungen online abzuwickeln – von A wie Adoption bis Z wie Zweitschrift einer Approbation. Einige Erfolge gibt es auf dem Weg bereits, statt auf Papier können Unternehmen die Rechnung an den Staat bald auch elektronisch einreichen. An zahlreichen anderen Stellen geht es aber nicht so recht voran. Inzwischen wächst in den Kommunen die Befürchtung, dass das Datum nicht zu halten sein könnte.


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„Es passiert noch nicht genug“, meint Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Er sieht sowohl Defizite beim Projektmanagement als auch bei der Finanzierung. So gebe es bisher kaum sogenannte Digitallotsen in den Kommunen. Diese Lotsen sollten eigentlich geschult werden, damit es in jeder kommunalen Verwaltung zumindest einen Mitarbeiter gibt, der auf dem Wissensstand von Bund und Ländern ist. „Bisher sind so gut wie keine Schulungen geschehen. Hier ist es schon beim Start ins Stocken geraten“, sagt Bullerdiek. Auch die Aufteilung der Entwicklung in Themenfelder, wobei Niedersachsen hier für den Bereich Gesundheit zuständig ist, kann dem NSGB zufolge durchaus in Frage gestellt werden. Man bräuchte ein ungeheuer straffes Projektmanagement, meint Bullerdiek, der zu viele Reibungsverluste auf dem Weg befürchtet.

Bundesmittel müsse in Länder und Kommunen

Nicht zuletzt schaut der NSGB auch auf die Verteilung des Geldes. Zusätzliche drei Milliarden Euro sind im Konjunkturpaket der Bundesregierung für die digitale Verwaltung vorgesehen. Bullerdiek warnt nun, dass vor allem der Bund selbst einen Großteil des Geldes für eigene Projekte oder zentrale Service-Angebote nutzen könnte. Das Geld müsse vielmehr dringend in die Länder und die Kommunen, damit die Digitalisierung vor Ort auch umgesetzt werden könne.

Das sieht man auch im niedersächsischen Innenministerium so. Laut Königsteiner Schlüssel würden bezogen auf die zusätzlichen Mittel im Konjunkturpaket rund 282 Millionen Euro auf das Land Niedersachsen entfallen. Das Ministerium habe sich gegenüber dem Bund für eine möglichst unbürokratische und pauschale Weiterleitung von Mitteln an die Länder ausgesprochen, teilte eine Sprecherin auf Rundblick-Anfrage mit. Geht es nach dem Innenministerium, sollten rund 80 Prozent der Mittel direkt an Länder und Kommunen weitergeleitet werden, wobei der Bund allerdings bisher eine pauschale Weiterleitung der Gelder ablehne. Das Innenministerium beruft sich bei seinem Vorschlag auf die Verteilung der Aufgaben. Die überwiegende Anzahl der Leistungen müssten schließlich durch die Länder und Kommunen erbracht werden. Von den insgesamt 575 Leistungen, die im Onlinezugangsgesetz definiert sind, lägen lediglich 115 in reiner Kompetenz des Bundes, 460 dagegen bei Ländern und Kommunen.

180 Millionen Euro benötigen die Kommunen

Allein die erste Umsetzung in den Kommunen wird nach Berechnungen des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes 180 Millionen Euro kosten. Das Geld werde für die Anpassung der Verfahren, die Schulungen der Mitarbeiter aber auch die Information von Bürgern und Unternehmen benötigt. Hier werde es eine intensive personelle Betreuung geben müssen. Auch das Land werde viel Geld brauchen, um die E-Akte umzusetzen. „Da geht es um jeden Teilbereich der Verwaltung“, erklärt Bullerdiek.

Die Milliarden des Bundes sind dem NSGB-Sprecher zufolge auch deshalb so wichtig, weil Ländern und Kommunen durch die Corona-Krise an anderen Stellen jetzt viel Geld fehlt. Aktuell gebe es für die Umsetzung nur fünf Millionen Euro des Landes, das reiche aber vorne und hinten nicht. Dabei schielt auch das Land auf die zusätzlichen Millionen des Bundes. Durch die Zuschüsse wäre man auch in der Lage, die bislang vorgesehenen fünf Millionen Euro Landesmittel zur Unterstützung der Kommunen deutlich aufzustocken, heißt es aus dem Innenministerium.