Schon für den Herbst vergangenen Jahres ist mit dem Abschluss der Ermittlungen gegen Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) gerechnet worden. Doch dann zog sich die Sache immer mehr in die Länge, und inzwischen wird bezweifelt, dass der bisher von der Staatsanwaltschaft genannte Termin Ende März noch einzuhalten sein wird.

Ist sich keiner Schuld bewusst: Hannovers OB Stefan Schostok – Foto: LHH

Drei Personen stehen im Zentrum des Geschehens, neben dem OB noch der frühere Personaldezernent Harald Härke und der langjährige Büroleiter von Schostok, Frank Herbert. Die zentrale Frage lautet: Wer wusste davon, dass die Zulagen für Herbert, die fast drei Jahre lang – von April 2015 bis Mai 2018 – gezahlt wurden, nicht gesetzlich begründet waren? Wenn Schostok selbst von der Rechtswidrigkeit wusste und die Zahlungen nicht gestoppt hat, ist der dann der Veruntreuung von Steuergeld schuldig? Es geht um mindestens 50.000 Euro, denn Herbert erhielt eine monatliche Zulage von 1400 Euro.


Lesen Sie auch:

Hannovers Rechnungsprüfungsamt warnte zweimal vor problematischer Zulagen-Praxis

Toepffer: Hannovers Oberbürgermeister soll mehr Respekt vor der Pressefreiheit haben

Nach dem Fall Lügde will Hamelns Landrat sein Jugendamt zur vorbildlichen Behörde ausbauen


Die Ermittlungen sind außerordentlich umfangreich. Wie es heißt, existieren vermutlich keine direkten Belege dafür, dass der Oberbürgermeister von den rechtlichen Problemen einer Zulagenzahlung wusste. Das wären Schriftstücke, die der OB abzeichnete oder selbst verfasste. Ein Mail-Verkehr zwischen Härke und Herbert, den Schostok bekommen haben soll, enthielt zwar Hinweise auf die Beteiligung des Oberbürgermeisters. Dieser behauptet aber, selbst keine entsprechende Nachricht bekommen zu haben. In den Ermittlungen spielen auch Whatsapp-Chats eine Rolle, die den OB angeblich belasten. Spannend wird die Frage sein, ob es Zeugenaussagen gibt, aus denen hervorgeht, dass der OB in die verwaltungsinterne Erörterung dieser wichtigen Frage eben doch eingebunden war – und dass er sehr wohl um die Problematik gewusst habe.

Schostok ist von seiner Unschuld überzeugt

Schostok bestreitet das vehement, am Ende könnte in den Verhandlungen Aussage gegen Aussage stehen; womöglich das Wort Schostoks gegen das von Härke. Der Ausgang des Verfahrens ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass die Anwälte von Schostok und die Staatsanwaltschaft sich auf eine Einstellung nach Paragraph 153a der Strafprozessordnung verständigen könnten. In diesem möglichen Fall müsste Schostok eine Geldauflage zahlen, aber er könnte eine Anklage und einen Prozess umgehen. Die „Schwere der Schuld“ dürfte aber laut StPO diesem Weg nicht entgegenstehen.

Man könnte so argumentieren, dass dem OB womöglich trotz Kenntnis der rechtlichen Bedenken nicht bewusst war, wie strikt die Zulagenzahlung gegen das Gesetz verstieß. Damit wäre seine Schuld begrenzt. Inzwischen scheint es aber fraglich, dass sich Schostok im Fall eines solchen Angebotes auf diesen Weg einlassen würde. Die Beendigung des Verfahrens nach Paragraph 153a würde ja bedeuten, dass er selbst zumindest eine Mitverantwortung am Untreuevorwurf einräumen würde.

Neuwahlen wären unumgänglich

Die bisherigen Einlassungen des Oberbürgermeisters lassen aber keine Einsicht in ein eigenes Verschulden erkennen. Daher spricht einiges dafür, dass er in einer entsprechenden Konstellation das Angebot einer Einstellung nach Paragraph 153a ausschlagen und lieber eine Anklage mit folgendem Prozess in Kauf nehmen würde – in der Hoffnung, dort einen Freispruch erreichen zu können. Sollte sich der Fall in dieser Weise zuspitzen, wäre das für die hannoversche SPD allerdings eine extreme Belastung. Dass Amtsträger trotz Anklage im Amt bleiben, kommt nicht sehr oft vor. Auf der anderen Seite lähmt die Zulagen-Affäre die Arbeit im Rathaus schon seit fast einem Jahr, sie überlagert alles andere.

Der Oberbürgermeister versucht mit demonstrativer Gelassenheit, die Vorwürfe als geringwertig erscheinen zu lassen. Das gelingt ihm nach landläufiger Beurteilung indes eher weniger. Der Druck, der derzeit auf Schostok lastet, dürfte im Fall einer Anklage noch erheblich zunehmen. Dabei ist das Verhältnis zu den lokalen Zeitungen in der Landeshauptstadt gespannt – Befürworter seines Verbleibs im Amt gibt es dort schon seit Monaten nicht mehr. Bei einem Schostok-Rücktritt wären dann Neuwahlen des OB unumgänglich. Einer, den sich in der SPD viele als Kandidaten vorstellen können, fällt derzeit wegen der enormen Probleme in seinem Jugendamt aus dem Rennen – der Hamelner Landrat Tjark Bartels.