Kohlekommission: Lies stellt sich auf Streit mit SPD-Spitzenpolitikern ein
Umweltminister Olaf Lies stellt sich darauf ein, dass es zwischen ihm und den anderen Vertretern der Länder in der sogenannten Kohlekommission Streit geben wird. Vor allem auf Konflikte mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmar (CDU) und Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (CDU), richtet Lies sich ein. Doch er geht auch davon aus, dass es mit den Vertretern der brandenburgischen Interessen, Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) noch scharfe Diskussionen geben wird.
„Ich kann verstehen, warum sie den Ausstieg aus der Kohle verzögern wollen. Aber wir in Niedersachsen leiden unter dieser Verschleppung, und das ist nicht zu akzeptieren“, sagte Lies nach dem ersten Treffen der Kohlekommission in Berlin. Lies ist einer von vier Länder-Vertretern, die in beratender Funktion an der Kohlekommission teilnehmen dürfen. Ein Stimmrecht haben sie nicht. Abstimmen dürfen lediglich die 31 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltschutz. Dazu gehört auch der vierköpfige Vorstand, dem unter anderem Platzeck angehört. Die Kohlekommission soll bis Ende des Jahres ein Konzept für den Ausstieg aus der Braunkohle erarbeiten. Ein hehres Ziel aus Sicht des niedersächsischen Umweltministers.
Konfliktlinien reichen tief
Denn die Konfliktlinien reichen tief. „Ich bin in dieser Kommission ein Exot, die anderen drei Vertreter stehen für Länder ein, in denen die Kohle noch einen viel höheren Stellenwert hat als bei uns.“ Der einzige niedersächsische Braunkohletagebau in Schöningen bei Helmstedt wurde 2016 stillgelegt und es gibt noch acht niedersächsische Kraftwerke, die Kohle zur Strom- und Wärmeproduktion nutzen. Für ein weiteres Kohlekraftwerk in Stade ist zwar im vergangenen Jahr eine Genehmigung erteilt worden, doch dort wurde bislang nicht mit dem Bau begonnen. „Natürlich müssen auch in Niedersachsen für die Arbeitskräfte in der Kohleindustrie neue Tätigkeiten gefunden werden, aber das dürfte kein Problem sein“, ist sich Lies sicher. „In der Lausitz oder dem Rheinischen Revier dagegen hängen Zehntausende Arbeitsplätze an der Kohle.“
Bei Woidke und Kretschmar stünde zudem ihr politisches Überleben auf dem Spiel. „In ihren Parteien herrscht eine riesengroße Angst vor den beiden Landtagswahlen nächstes Jahr.“ Denn die AfD ist bei der Bundestagswahl in Sachsen mit 27 Prozent stärkste Kraft geworden, in Brandenburg liegt sie jüngsten Umfragen zufolge nur noch einen Prozentpunkt hinter SPD und CDU. „Da ist es klar, dass die Regierenden von der Frage getrieben sind, welche Vorteile die AfD aus den künftigen Entwicklungen ziehen kann“, sagt Lies.
Ein rascher Kohleausstieg würde ihr seiner Meinung nach definitiv Aufwind geben. „Für die Menschen in der Lausitz, wo es ohnehin wenig Industrie gibt, ist die Kohle Teil ihrer Identität und nichts Schlechtes. Denen kann man nicht erklären, warum sie von heute auf morgen ihre Jobs verlieren sollen.“
Lies: Nicht erst 2035 aussteigen
Doch Lies will dennoch nicht hinnehmen, dass wegen dieser Gemengelage der Kohleausstieg erst gegen 2035 beginnt. „Das Thema darf nicht verschleppt werden, nur weil man Angst hat, seine Wähler zu enttäuschen.“ Lies schlägt deshalb ein mehrstufiges Ausstiegsmodell vor. Beginnen soll das aber auch nicht von jetzt auf gleich. Denn Lies hält fossile Brennstoffe nach wie vor für notwendig, um die Strom- und Wärmeversorgung zu sichern. „Die Energiewende ist noch nicht so weit, dass wir den ,Must-run‘ mit alternativen Energien stemmen können“, sagt der Umweltminister.
Als „Must-run“ wird die Grundversorgung mit Strom bezeichnet. Die wird zurzeit hauptsächlich von Gas- und Kohlekraftwerken übernommen, weil die eine stabile und planbare Stromproduktion gewährleisten, wozu Wind- und Sonnenenergie nicht in der Lage sind. Sofort aus der Kohle auszusteigen, hält Lies daher für nicht machbar. „Unser Weg muss sein, die fossilen Brennstoffe sukzessive herunterzufahren und für den ,Must-run‘ ein Finanzierungsmodell zu schaffen, was den Kraftwerksbetreibern keine Anreize zur Mehrproduktion bietet.“