Sehr lange schon gärt ein Antrag der Koalitionsfraktionen SPD und CDU in den Gremien des Landtags. Jetzt aber sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Im Innenausschuss wurde bei der Enthaltung des FDP-Abgeordneten Marco Genthe beschlossen, dass der Landtag in seiner nächsten Sitzung die Landesregierung auffordern soll, die Kraftfahrzeugzulassungsbehörden zu erhöhter Wachsamkeit zu verpflichten: Sie sollen keine Kennzeichen zulassen, die „einen eindeutigen Bezug zum Nationalsozialismus ausdrücken“.

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Der Verfassungsschutz soll außerdem eine Liste mit problematischen Kennzeichen erstellen – und die Kraftfahrzeugzulassungsbehörden sollen bereits erteilte Nummernschilder, die in diesem Zusammenhang problematisch erscheinen, wieder einziehen dürfen. Wie es heißt, herrscht in der Koalition über diesen Vorstoß keine Begeisterung – die CDU trage es widerwillig mit, weil einige in der SPD diesen Schritt unbedingt durchsetzen wollen. Das wiederum lasse andere in der SPD schweigsam werden. Im Innenausschuss wurde über diese Differenzen nichts geäußert, die Koalition zeigte sich geschlossen – und nickte den Antrag ohne größere Aussprache ab.

NS-Sympathisanten schwerer zu identifizieren

Somit schlägt die Koalition in Hannover jetzt einen Weg ein, der aus mehreren Gründen problematisch erscheint. Bei anderen Vorhaben, die weniger stark in das Leben der Menschen eingreifen wie dieser, hat es wiederholt Expertenanhörungen gegeben, zumindest wurden die Landtagsjuristen zu einer ausführlichen Stellungnahme gebeten. Das ist hier nicht geschehen. Der Innenausschuss befasste sich dreimal mit der Sache, im April 2020, etwas ausführlicher im Juni 2020 und nun noch einmal, im März 2021. Der Wirtschaftsausschuss hat die Sache im vergangenen Mai einmal auf der Tagesordnung gehabt. Ansatzweise kam einmal, im Juni 2020, eine Debatte darüber in Gang, ob der Vorstoß sinnvoll erscheint und welche Bedeutung er hat. Im vertraulichen Teil hörten die Abgeordneten Hinweise des Innenministeriums, wonach die Sache auch nach hinten losgehen könne: Wenn man NS-Sympathisanten bestimmte Erkennungssymbole verbiete, falle es den Überwachungsbehörden auch schwerer, diese Gruppen zu identifizieren.

In keinem Fall aber leisteten sich die Abgeordneten zu ihrem Vorhaben eine vertiefte Debatte, die das Für und Wider gründlich beleuchtet – und etwa folgende Gesichtspunkte einbezieht:

Das Spielfeld der Rechtsextremen:

Begibt man sich nicht auf das Niveau rechtsextremer Kreise, wenn man die Symbolik auf Autoschildern so ernst nimmt, dass man Kfz-Behörden und Verfassungsschutz anweisen will, nach solchen Nummern zu fahnden und ihre Besitzer zu verfolgen? Geht man ihnen nicht auf den Leim und überhöht die Bedeutung der Kennzeichen? Macht der Staat sich nicht zum Deppen, der aus lauter Lust am Verbieten jetzt schon bei den Autoschildern ansetzt?

Ein Fall von Identitätspolitik:

Geschieht der Vorstoß vielleicht, weil die Koalition dringend Erfolge im Kampf gegen wachsenden Extremismus vorweisen muss und nun meint, mit diesem symbolischen Akt schon Großes zu diesem Ziel geleistet zu haben? Geht es also mehr um das Bedürfnis der Antragsteller zu einem Bekenntnis als Nicht-Nazis als um effektive Bekämpfung extremistischer Bestrebungen?

Übertreibung von Verboten:

Ist der Vorstoß nicht Wasser auf die Mühlen all derer, die dem Staat vorwerfen, in der Corona-Krise unnötige und überzogene Verbote zu verhängen? Eigentlich soll der Staat nur dann die Freiheiten der Menschen beschneiden, wenn das wirklich notwendig ist. Dieser Antrag aber ist ein Beleg dafür, wie willkürlich bestimmte Verbote sein können. Damit diskreditiert der Antrag die bislang sachlich gut begründete Verbotspolitik in dieser Zeit der Corona-Krise. Wer hier überzieht, stellt seine Glaubwürdigkeit an anderer Stelle extrem in Frage.

Einladung zu Umgehungstatbeständen:

Der Antrag ist eine Einladung an alle, die das Katz-und-Maus-Spiel mit Verfassungsschutz und Behörden aufnehmen wollen. KZ, SA, SS und HJ sind ja schon untersagt, wenn man nun noch „AH 88“ oder „HH 1933“ verbieten will, dürften sich manche Gruppen neue Codes ausdenken und diebische Freude dabei empfinden, diese demonstrativ zu nutzen. Das wieder dürfte das Land zwingen, nachzubessern und weitere Buchstaben-Ziffern-Kombinationen zu untersagen. Damit würden sich die Behörden irgendwann lächerlich machen.