Der Zeitdruck fordert sein Tribut: Gegen die Änderungen am Naturschutzrecht und am Wasserrecht, die Umwelt- und Agrarministerium gemeinsam mit Umweltverbänden, Landvolk und Landwirtschaftskammer vereinbart haben, gibt es erhebliche rechtliche Bedenken. Einige wenige davon werden nun noch in die Beschlussvorlage übernommen, bevor die Gesetze endgültig in der kommenden Woche vom Landtag beschlossen werden sollen.

Kurz vorm Ziel: Die Akteure des „niedersächsischen Weges“ stellen ihre Ergebnisse vor. – Foto: kw

Doch die Vertreterin des „Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes“ (GBD) verdeutlichte am Montag im Umweltausschuss des Landtags: „Wir können keine abschließende Bearbeitung der juristischen Probleme präsentieren.“ Der Grund liegt offenbar darin, dass die Landtagsjuristen vom GBD erst Ende Oktober vom Umweltministerium über den ehrgeizigen Zeitplan informiert worden sind. Sie seien bis zu jenem Tag noch davon ausgegangen, so die GBD-Vertreterin im Ausschuss, dass das Gesetz erst im Dezember oder im Januar endgültig vom Parlament beschlossen werden solle. Da dieser Termin nun auf Mitte November vorgezogen wird, belässt es der GBD bei vorläufigen Hinweisen und einigen wenigen Formulierungsvorschlägen. Eine gründlich juristische Überarbeitung des Entwurfs indes spart sich die Landesverwaltung, da diese auch viel mehr Zeit für eine sorgfältige Prüfung und Neuformulierung erfordert hätte.


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Der Grund für die Eile, mit der die Gesetzesvorhaben das Parlament durchlaufen sollen, liegt in einem parallelen Ereignis: Mehr als 200 Umweltgruppen und die Grünen unterstützen seit Monaten ein Volksbegehren, das ebenfalls – in einigen Details noch drastischer – wesentliche Verbesserungen des Artenschutzes zum Ziel hat. Die Landesregierung und die Große Koalition aus SPD und CDU hatten mit ihrem Projekt des „Niedersächsischen Weges“ aber das Ziel verfolgt, dem Plebiszit bei der Vereinbarung von mehr Natur- und Artenschutz zuvorzukommen. Ein Volksbegehren, das womöglich in eine Volksabstimmung gemündet wäre, wollten vor allem die Minister Olaf Lies (Umwelt) und Barbara Otte-Kinast (Landwirtschaft) nach Möglichkeit vermeiden.

Jetzt sind die Umstände so, dass die erste Phase des Volksbegehrens beendet ist, mehr als 70.000 Unterschriften liegen vor, und die fünf Initiatoren des Plebiszits müssen bis 13. November erklären, ob sie in die zweite Stufe einsteigen und dann binnen eines halben Jahres insgesamt 610.000 Unterschriften vorlegen. Mehrere Initiatoren haben inzwischen angekündigt, dass sie nur dann von diesem zweiten Schritt absehen und das Volksbegehren aufgeben wollen, wenn die Vereinbarungen des „Niedersächsischen Weges“ bis 12. November vom Landtag beschlossen worden sind. Würde sich die Gesetzgebung also verzögern, was angesichts der Bedenken des GBD nicht unnormal wäre, so drohte die Fortsetzung des Volksbegehrens, die SPD und CDU auf jeden Fall verhindern wollen.

GBD beanstandet mehrere Unstimmigkeiten

Die GBD-Expertin trug im Umweltausschuss mehrere Unstimmigkeiten in der derzeitigen Vorlage des Umweltministeriums vor: So soll der Umbruch von Grünland in bestimmten Fällen untersagt werden, ebenso der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Ordnungswidrigkeiten, die hier angedroht würden, sollen sich aber auf mehrere detaillierte, nur nach aufwendiger Recherche zu ermittelnde EU-Vorschriften beziehen. Das widerspreche aber dem Grundsatz des Ordnungswidrigkeitenrechts, das schnell nachprüfbare und einsehbare Rechtsvorschriften verlange. Die geplante Vorgabe, den Flächenverbrauch bis 2030 auf maximal drei Hektar pro Tag und ab 2050 auf null Hektar festzulegen, beziehe sich auf das Bundesnaturschutzgesetz als Rechtsgrundlage – das Problem sei aber, dass in dem Bundesrecht diese Maßgabe nicht als Verpflichtung, sondern lediglich als unverbindliche Zielbestimmung angegeben werde. Zu kompliziert formuliert und in sich widersprüchlich seien die aktuellen Formulierungen zu den Ausnahmen, die für das Grünland-Umbruchverbot gelten sollen.

Ein anderes Problem seien die Gewässerrandstreifen von mindestens drei Metern, die nicht gedüngt oder mit Pflanzenschutzmittel versehen werden dürfen. Im Entwurf ist eine Ausnahme dann vorgesehen, wenn ein Bach regelmäßig an weniger als sechs Monaten im Jahr gar kein Wasser mehr führt. Bei „agrarstrukturellen Gründen“ soll auch die Drei-Meter-Breite unterschritten werden dürfen. Daran knüpft der GBD nun die Fragen, welche Behörde denn diese „agrarstrukturellen Gründe“ erkenne und rechtsverbindlich feststelle – und welche Behörde ebenso rechtsverbindlich erkläre, dass ein Fluss sechs Monate im Jahr ohne Wasser bleibt. Beides sei in den bisherigen Gesetzestexten des Umweltministeriums nicht enthalten, aber dennoch erforderlich.