Koalition kippt Pläne zum kommunalen Fraktionsstatus
Die nüchterne Mitteilung kam gestern am frühen Nachmittag, und sie überraschte selbst Koalitionsabgeordnete: In der jüngsten Sitzung am Dienstag hat die Landesregierung entschieden, die Finger von einem heiklen Reformvorhaben zu lassen. Es soll nicht, wie im Koalitionsvertrag verankert, zu einer Reform der Mindestgrößen kommunaler Fraktionen kommen. Der Plan, die Zwei-Mann-Fraktion abzuschaffen und stattdessen eine Fraktion erst mit wenigstens drei Mitgliedern zu erlauben, wird abgeblasen. „Die Landesregierung wird die Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes zunächst nicht weiter verfolgen“, teilte dazu das Innenministerium in einer knappen Pressemitteilung mit. Man werde sich mit den Kommunen aber „weiter austauschen“ über „Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für die Arbeit der kommunalen Vertretungen zu verbessern“.
Im Koalitionsvertrag hatte es noch kurz und ohne weitere Begründung geheißen: „Die Mindestgröße von Fraktionen in den kommunalen Vertretungen soll im Kommunalverfassungsgesetz auf drei festgesetzt werden.“ Teilnehmer der Koalitionsrunden erinnern sich, dass dieses Vorhaben wohl auf den letzten Metern in den Vertragstext gelangte, da man sich auf ein anderes, von den Kommunalpolitikern in SPD und CDU viel nachdrücklicher gefordertes Projekt nicht hatte verständigen können. Sie hatten verlangt, die Sitzverteilung in den Kommunalparlamenten nicht wie bisher nach dem Verfahren Hare-Niemeyer auszurechnen, sondern nach d’Hondt (wie es etwa auch bei der Besetzung der Gremien des Landtags geschieht).
Hare-Niemeyer gilt als Verfahren, das kleine Fraktionen eher begünstigt, d’Hondt stärkt dagegen eher die größeren Gruppierungen. Zuvor hatten Vertreter sowohl der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) als auch der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU (KPV) über die „Zersplitterung der Räte und Kreistage“ geklagt. Wegen des Zählverfahrens, so meinten sie, bekämen kleine Gruppierungen nach der Kommunalwahl ein unverhältnismäßig großes Gewicht bei der Bemessung der Sitze in Räten und Kreistagen – und auch in den Verwaltungs- und Kreisausschüssen. Da aber der Streit um das Zählverfahren in früheren Jahrzehnten wahre Glaubenskämpfe zwischen SPD und CDU hier, FDP und Grünen dort ausgelöst hatte, wollten die Koalitionäre das jetzt nicht anpacken. Zum Ausgleich verständigten sie sich, die Fraktionsmindestgröße anzuheben – mit der ähnlichen Zielrichtung, nämlich den Kleinen nicht übermäßig viel Raum und Macht zu geben.
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Doch der Widerstand kam prompt und wurde in den vergangenen Monaten immer stärker. Vertreter von Grünen und FDP werteten die Absichtserklärung der Großen Koalition als „Kampfansage“ oder sogar „Kriegserklärung“, da das Verweigern des Fraktionsstatus weniger Rechte, weniger Zuschüsse und schlechtere Arbeitsmöglichkeiten für kleine Fraktionen bedeutet. Sogar aus CDU und SPD wurde Widerspruch laut, durchaus auch taktisch begründet mit Blick auf die AfD: Wenn man kleinen Parteien den Fraktionsstatus verwehrt, treibt man sie gerade dazu, sich mit anderen Vereinigungen zu verbünden und Gruppen zu bilden – beispielsweise Fraktionsgemeinschaften von AfD und Freien Wählergemeinschaften. Damit wäre die AfD am Ende sogar noch gestärkt. Schon seit Ende Januar begann die Große Koalition, in dieser Frage zurückzurudern: Erst hieß es, man könne die Mindestgröße staffeln – je nach Größe der Kommunalvertretung. Dann reifte ein Plan, die Mindestgröße nur in größeren Städten und Landkreisen einzuführen. Mit der Kabinettsentscheidung jetzt ist das Thema für die nächste Zeit nun ganz vom Tisch. Der Grünen-Innenpolitiker Belit Onay feiert das als Erfolg: „Damit haben wir einen schweren Angriff von SPD und CDU auf die kommunale Demokratie abgewehrt.“