Von Niklas Kleinwächter

Jeden Freitag sind es mehr und mehr Schüler, die für eine bessere Klimapolitik demonstrieren. Gleichzeitig findet die Große Koalition in Hannover keinen rechten Kompromiss beim niedersächsischen Klimagesetz. Aber wieso geht es nicht voran? Eigentlich wollte schon die rot-grüne Landesregierung mit einem Klimagesetz Niedersachsens Beitrag zum Erreichen der internationalen Klimaziele festschreiben. Der Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen hatte seinerzeit mit einem umfassend besetzten Runden Tisch den Klimawandel aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und daraufhin einen Gesetzentwurf vorbereitet. Landvolk, Umweltverbände, Industrie und sogar die Kirchen – mehr als 50 Organisationen waren an diesem Prozess beteiligt. Doch die vorgezogenen Neuwahlen kamen der Regierung damals in die Quere.

Diesen alten Gesetzentwurf hat die Grünen-Landtagsfraktion wieder vorgeholt und im Februar 2018, nun als Oppositionsfraktion, in den Landtag eingebracht. Doch seit der ersten Beratung im Umweltausschuss im Mai des vergangenen Jahres ruht das Verfahren – also seit bald einem Jahr. Umweltminister Olaf Lies (SPD) spricht zwar seit Monaten vom Klimagesetz, kündigte einen eigenen Entwurf an und ging nach der Sommerpause 2018 schon mit ersten Inhalten an die Öffentlichkeit. Er forderte sogar, den Klimaschutz als Staatsziel in der Landesverfassung zu verankern. Doch das Umweltministerium erklärt offiziell, mit dem Klimagesetz nichts zu tun zu haben, und verweist auf die beiden Fraktionen von Sozial- und Christdemokraten im Landtag. Der Ball liegt also im Spielfeld von SPD und CDU, die zurzeit einen gemeinsamen Entwurf abstimmen.


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Bereits im September des vergangenen Jahres hat die SPD-Fraktion ihren Vorschlag für ein eigenes Klimagesetz an die Kollegen von der CDU weitergeleitet. Doch dort stockt die Abstimmung. Grund für den Stillstand ist offenbar ein einziger Satz, der die Landwirtschaft verpflichten soll, ihren Beitrag zu leisten, um das Gesamtziel bei der CO2-Reduzierung bis 2050 zu erreichen. Die Landwirtschaft ist für etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Niedersachsen verantwortlich und könnte mit dem Klimagesetz unter Druck gesetzt werden.

Die Landwirte, klassische CDU-Klientel, könnten zum Beispiel stärker dazu gedrängt werden, ihre Tierbestände zu reduzieren oder Moore wieder zu vernässen, die für eine landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt wurden, aber für die CO2-Bindung im Boden wichtig sein können. An diesem Punkt kommen die Koalitionspartner nun seit Monaten nicht weiter. Aus Koalitionskreisen heißt es aber, man werde sich sicher zeitnah einigen.

Es ist nicht unser Ansinnen, gerade die Landwirtschaft herauszuheben und ihr einen Negativstempel aufzudrücken.

Martin Bäumer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht nicht ein, dass die Landwirtschaft in einem Sonderpunkt herausgestellt wird. „Entweder nennen wir alle oder wir nennen keinen“, skizziert er die beiden Optionen für einen Kompromiss. Sollten sich CDU und SPD darauf verständigen, könne aus Sicht Bäumers das Gesetz „innerhalb von Stunden abgeräumt“ werden, sogar noch im Mai-Plenum. „Es ist nicht unser Ansinnen, gerade die Landwirtschaft herauszuheben und ihr einen Negativstempel aufzudrücken“, erklärte Volker Senftleben (SPD) gegenüber dem Politikjournal Rundblick.

Es sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Klimaziele zu erreichen, und die Landwirtschaft sei neben Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Verkehr einer von mehreren betroffenen Sektoren, sagte der SPD-Energieexperte. Offenbar besteht aber Umweltminister Olaf Lies darauf, die Landwirtschaft im neuen Klimagesetz explizit zu benennen. Wie es aus Koalitionskreisen heißt, herrsche im Ministerium wohl die Meinung vor, alle anderen Sektoren würden bereits durch EU- und Bundesrecht klimapolitisch ausreichend reguliert, die Landwirtschaft aber nicht.

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Dass nun ausgerechnet eine Formulierung zur Landwirtschaft zum Konflikt in der Koalition führt, ist besonders deshalb verwunderlich, weil im ursprünglichen Antrag der Grünen, den sie ja in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der SPD erarbeitet hatten, die Landwirtschaft mit keiner Silbe erwähnt wurde. Der alte Entwurf war von sehr vagen Formulierungen geprägt, verpflichtete vor allem die Landesbehörden zu klimafreundlichem Verhalten durch einen anderen Fuhrpark oder energetische Sanierung der eigenen Gebäude. So soll es auch im SPD-Entwurf stehen. „Wir werden mit diesem Gesetz das Land Niedersachsen mit seinen Ministerien und Betrieben selbst in die Pflicht nehmen, um in einer Art Vorbildfunktion vorauszugehen“, erklärte Marcus Bosse, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, nach der jüngsten Klimadebatte im März-Plenum des Landtags.

Der Kern des rot-grünen Gesetzentwurfes war das „integrierte Energie- und Klimaschutzprogramm“, in dem sowohl Zwischenziele für die CO2-Reduzierung bis 2050 festgelegt als auch Maßnahmen festgeschrieben werden sollten, um diese Ziele zu erreichen. Ein solches Maßnahmenprogramm sieht auch der SPD-Vorschlag für das neue Klimagesetz weiterhin vor. Darüber hinaus habe es aber weitere „Konkretisierungen und Weiterentwicklungen“ gegeben, sagte Senftleben im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Neben der Landwirtschaft ergänzte die SPD auch Aspekte, die innerhalb der Großen Koalition unstrittig sind. So wollen sie zum Beispiel ein Klimakompetenzzentrum einrichten, die Kommunen sollen verpflichtet werden, regelmäßig einen Energiebericht vorzulegen und der Ausbau der erneuerbaren Energien soll erleichtert werden.

Energiebranche hängt in der Luft

In der SPD hat man die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der neue Entwurf für ein Klimagesetz noch vor der Sommerpause eingebracht und bis Ende des Jahres vom Landtag beschlossen werden kann. Allzu lange sollte die Große Koalition eine Einigung nicht mehr herauszögern, heißt es. Denn das andauernde Beratungsverfahren verärgere nicht nur Umweltschützer, es verunsichere auch die Energiewirtschaft. „Die Wind-, Solar- und Bioenergiebranche sind bedroht, wenn keine klaren regulatorischen Rahmenbedingungen vorliegen“, konstatiert Silke Weyberg vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE). „Bei Bioenergie- und Solarfirmen haben wir das Ausbluten bereits, bei den Windenergiefirmen beginnt es.“ Als Beispiel führt Weyberg Stellenstreichungen beim Branchenriesen Enercon an. „Die Erneuerbare-Branche und viele Arbeitsplätze sind bedroht, wenn die Umsetzungen der Bekenntnisse zu den Klimazielen nicht kommen“, sagte Weyberg dem Politikjournal Rundblick.

Die Erneuerbare-Branche und viele Arbeitsplätze sind bedroht, wenn die Umsetzungen der Bekenntnisse zu den Klimazielen nicht kommen.

Dass nun die Koalitionsfraktionen und nicht die Landesregierung den Gesetzentwurf einbringen, kann den Beratungsprozess deutlich verkürzen. Auf diese Weise müssen Verbände nicht mehr zweimal – einmal vorab und einmal im Beratungsprozess des Landtages – beteiligt werden. Der erste Schritt fiele weg, die Verbände würden nur noch im Ausschuss angehört. Dort ist es allerdings üblich, dass die großen Fraktionen je zwei oder drei, die kleinen je einen Experten benennen dürfen – insgesamt also maximal neun. Doch die verschiedenen Verbände sollten sich keine Sorgen machen, dass sie übergangen werden könnten. Weder Senftleben noch Bäumer glauben, dass das Klimagesetz ohne Verbandsbeteiligung erfolgreich umgesetzt werden kann – schließlich peile man bewusst einen breiten gesellschaftlichen Konsens an.