Klimagesetz könnte Große Koalition zusammenschweißen – oder beenden
Die Neujahrsbotschaft von Umweltminister Olaf Lies (SPD) kam pünktlich am 1. Januar um 7 Uhr früh über die Deutsche Presse-Agentur. Das in seinem Ressort überarbeitete Klima-Gesetz der Großen Koalition solle „vor der Sommerpause beschlossen sein“, gab Lies als Ziel vor.
Bei den Inhalten fügte er eine bekannte, wohl aber zwischen Sozial- und Christdemokraten umstrittene Einschätzung hinzu: Eine Pflicht, auf alle Neubauten auch Photovoltaik-Anlagen zu montieren, halte er für sinnvoll. An dieser Stelle, das war Lies bewusst, tickt der Koalitionspartner CDU anders, er sieht die gesetzliche Vorgabe der Bestückung jedes Dachs mit Sonnenkollektoren skeptisch. Erst im Dezember, in der letzten Landtagssitzung des vergangenen Jahres, war der Konflikt in der Sache noch einmal deutlich geworden.
Aber Lies bleibt hart, und er weiß mehrere mächtige Verbündete auf seiner Seite: Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr die bisherigen Klima-Vorhaben des Bundes als zu unzureichend gerüffelt und Nachbesserungen angemahnt. Die neue Ampel-Koalition auf Bundesebene ist sich einig, hier die Anstrengungen zu verstärken. Deshalb dürften auch im Landtag Grüne und FDP an der Seite von Lies stehen, wenn es darum geht, den Ausbau von Sonnenenergie, Windenergie und andere Formen der CO2-Vermeidung (etwa bessere Moor-Regeneration) auf den Weg zu bringen.
Was heißt das nun für das Klimagesetz, bei dem vermutlich nicht nur Lies Tempo machen will – sondern auch die SPD und mindestens auch die Grünen ebenfalls? Drei Szenarien sind denkbar.
Szenario eins: Die Koalition einigt sich
Wenn die CDU bisher erklärt, sie sehe die Photovoltaik-Pflicht auf den Dächern aller Neubauten skeptisch, dann sind das keine abwegigen Gedanken. Tatsächlich sind viele damit verknüpften Fragen – wer trägt die Kosten, wie ist der Versicherungsschutz gewährleistet, wie hoch sind neben den Anschaffungs- noch die Installationskosten – nicht geklärt, Hausbesitzer befürchten Belastungen. Dennoch passt es kaum in die Zeit, dass eine Partei eine sinnvolle Klimaschutz-Initiative blockiert. Daher könnte die CDU einlenken, womöglich ist sogar ein Kompromiss mit der SPD dergestalt möglich, dass die Vorgaben nicht ganz so streng ausfallen, wie Lies dies gern hätte. Wenn das so geschähe, wäre der Konflikt gelöst und die Klimapolitik gäbe vorerst zwischen Sozial- und Christdemokraten keinen Anlass zum Streit mehr.
Szenario zwei: Das Klimagesetz kommt nicht
Wenn Lies mit seinem Gesetzentwurf auf Vorbehalte der CDU stößt, könnte das Vorhaben auch das übliche Schicksal von strittigen Gesetzesvorhaben erleiden – es könnte als strittiges Thema nicht beschlossen werden. SPD und CDU könnten gemeinsam erklären, sich hier nicht einig zu sein und diese Legislaturperiode nicht mehr mit dem Vorhaben zu belasten – trotz der Mahnungen des Bundesverfassungsgerichts, hier ambitionierter zu agieren. Sozial- und Christdemokraten würden dann mit unterschiedlichen Haltungen etwa zur Photovoltaik-Pflicht auf Dächern von Neubauten in den Landtagswahlkampf starten. Das Thema gäbe Gelegenheit, noch einmal zu unterstreichen, wie uneins die bisherigen Regierungspartner bei einem zentralen Gesetzesvorhaben sind.
Szenario drei: Eine Ampel beschließt das Klimagesetz
Wie wichtig für die SPD ein schärferes Klimagesetz ist, hat Lies wiederholt unterstrichen. Nur mit drastischen Schritten, erklärte er, werde man das Ziel der Klimaneutralität in Niedersachsen schon fünf Jahre früher als bisher vorgesehen, nämlich im Jahr 2045 erreichen können. Dazu müssten auch wesentlich mehr Flächen mit Sonnenkollektoren bestückt werden. Gut möglich wäre deshalb, dass bei einer fehlenden Verständigung zwischen SPD und CDU eine neue Konstellation entstünde: Die SPD könnte allein einen Gesetzentwurf im Landtag einbringen – und auf eine Mehrheit von SPD, Grünen und FDP dafür hoffen. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sich Grüne und FDP darauf einlassen. Ein solches Vorgehen würde aber bedeuten, dass die SPD den Koalitionsvertrag aufkündigt oder bricht – und konsequenterweise müsste dann die CDU mit dem Rücktritt ihrer Minister reagieren. Die Folge wäre, dass Weil und die sozialdemokratischen Minister als Minderheitenkabinett bis zur Landtagswahl amtieren. Es könnte sogar im Kalkül der SPD oder der CDU liegen, unter einer solchen Konstellation in die heiße Phase des Landtagswahlkampfs zu starten.
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