Kleine Krankenhäuser sind ein Risiko für die Gesundheit
Darum geht es: Der Verband der Ersatzkassen (VdEK) spricht sich für weniger, dafür aber größere Kliniken in Niedersachsen aus. Das wäre nach Ansicht des Verbandes auch ein sinnvolles Instrument gegen den Fachkräftemangel. Ein Kommentar von Martin Brüning.
In der vergangenen Woche wurde der Geldautomat 50 Jahre alt. Zu Beginn benötigte man noch einen Tresorschlüssel und eine Lochkarte, und man musste während der Öffnungszeiten der Bank kommen, wenn man an so einem Gerät Geld abheben wollte. Das ist in den vergangenen Jahrzehnten radikal einfacher geworden. Inzwischen wäre man in manchen Dörfern allerdings froh, wenn es überhaupt noch einen Geldautomaten vor Ort gäbe. Die Post ist weg, die Bank ist weg, und der Geldautomat steht zwei Dörfer entfernt. Es ist kein Wunder, dass sich viele Anwohner zumindest an das kleine Krankenhaus in der Nähe klammern, das man nicht auch noch verlieren möchte.
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Der Kampf um die Klinikstandorte wird mit harten Bandagen geführt. Dabei werden Studien bewusst missinterpretiert. Vertreter der kleinen Standorte kritisieren eine „Fließbandmedizin“ in größeren Krankenhäusern und warnen, dass die Schließung kleiner Standorte im schlimmsten Fall sogar Menschenleben kosten könne. Im Gegensatz dazu gebe es in den kleinen Kliniken auf dem Lande für die Patienten sogar noch Chefarztbehandlung. Das muss allerdings wie in jedem Krankenhaus nicht unbedingt ein Vorteil sein. Es ist nicht der Chefarzt, der am häufigsten am OP-Tisch steht und für den Eingriff am besten gerüstet ist. Es ist kein Wunder, dass selbst Ärzte in der privaten Krankenversicherung zumeist gerade keine Chefarztbehandlung beanspruchen. Die „Fließbandmedizin“ bietet am OP-Tisch eben die entsprechenden Erfahrungsvorteile – sowohl für den Arzt als auch für den Patienten. Die Medizin ist wie alles andere um uns herum deutlich komplexer geworden. Unsere neuen Autos können bald kaum noch in der Werkstatt um die Ecke repariert werden, weil die entsprechenden Diagnosegeräte fehlen. Und genauso werden wir in einem Wald- und Wiesenkrankenhaus medizinisch nicht besser behandelt als in einer größeren Klinik, weil es dort nicht nur eine bessere technische Ausstattung gibt, sondern auch mehr und erfahreneres Fachpersonal.
Die Patienten wissen das. Deshalb fahren viele schon heute bei planbaren Klinikaufenthalten weiter, um eine bessere Behandlung zu bekommen. Das Festhalten am kleinen und häufig unrentablen Klinikstandort entspringt eher einem Gefühl, das in den kommenden Jahren immer schwerer zu begründen sein wird. Das hängt auch mit dem medizinischen Personal zusammen. Denn wie die Welt um uns herum haben sich auch die Ansprüche der Angestellten verändert. Genauso wie der Beruf des Landarztes ist auch die Stelle in einem kleinen Krankenhaus für viele Ärzte und Pfleger nicht mehr attraktiv. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln und auch beruflich aufzusteigen, sind in größeren Einheiten eben leichter möglich. Deshalb trifft der angebliche Fachkräftemangel die kleineren Kliniken deutlich schärfer als die großen Standorte.
Der Politik wäre zu wünschen, diesen Weg mutig zu begleiten. Es mangelt in diesem Land nicht an Klinikbetten und nicht an Ärzten. Allerdings müssen die Strukturen der heutigen Lebensweise und den Ansprüchen angepasst werden. Es stimmt absolut nicht, dass dafür jedes Krankenhaus auf dem Land geschlossen werden muss. Diese Angst ist vollkommen unbegründet. Aber es sollte nicht mehr Geld in Kliniken versenkt werden, die auf absehbare Zeit weder für Patienten noch für medizinisches Fachpersonal attraktiv sind. Sinnvoll wäre es, diese Strukturänderungen jetzt aktiv zu gestalten und diese klar zu kommunizieren. Geschieht dies nicht, wird es spätestens dann passieren, wenn durch höhere Arbeitslosenzahlen weniger Geld im Gesundheitssystem ankommt. Dann könnte der Prozess schmerzhafter werden.