Kinderschutzbeauftragte sollen die Polizei bei Missbrauchsfällen verstärken
Die Landesregierung möchte, dass alle Polizeidienststellen in Niedersachsen Kinderschutzbeauftragte benennen. Dadurch solle sichergestellt werden, dass Fälle von Kindesmissbrauch von speziell dafür ausgebildeten Polizisten bearbeitet werden, berichtete Dirk Schröder, Abteilungsleiter im Sozialministerium. Er sprach in der jüngsten Sitzung des Landtags-Sozialausschusses, in der es um die Folgen von Lügde ging. Schröder sagte, dass die polizeilichen Kinderschutzbeauftragten dann im Tandem mit den entsprechenden Beauftragten in den Jugendämtern der Kommunen eng zusammenarbeiten sollen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel verwies darauf, dass an dieser Stelle auch die Familiengerichte mit eingebunden werden müssten. Schröder nannte das einen „interessanten Hinweis“, der aber erst in einem zweiten Schritt angegangen werden könne.
Mit dieser und weiteren Maßnahmen reagiert die Landesregierung jetzt auf die Fälle von Kindesmissbrauch im nordrhein-westfälischen Lügde, von dem auch das Jugendamt im Kreis Hameln-Pyrmont betroffen war. In Lügde war es auf einem Campingplatz nach aktuellem Stand zu 293 Straftaten gekommen. Gegen zwei Männer wurde bereits wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, sexuellem Missbrauch und des Besitzes von kinderpornografischem Material Anklage erhoben. Bei einem dritten Tatverdächtigen, der wie die beiden anderen Männer bereits in Untersuchungshaft sitzt, werde dies folgen.
Weiterbildungen für Ehrenamtliche im Sport
In Niedersachsen versucht die Politik nun an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, damit solche Vorfälle in Zukunft unwahrscheinlicher werden. Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird dazu das bestehende Angebot im Bereich des Kinderschutzes neu bewerten. Man werde versuchen, aus der Perspektive der Betroffenen neu darauf zu schauen, sagte Schröder. „Wo bekommt ein achtjähriges Mädchen Informationen oder Unterstützung? Ganz bestimmt nicht in einer Beratungsstelle.“ In den Blick geraten deshalb Personen, die beruflich mit Kindern zu tun haben. So solle etwa geschaut werden, wie Lehrer besser an Hilfsangebote herankommen können. Dazu sollen die Schulsozialarbeiter und die Vertrauenslehrer speziell geschult werden. Da das Land ohnehin das Ziel verfolgt, alle Schulen flächendeckend mit Sozialarbeitern auszustatten, sei dies auch ein guter Ansatzpunkt für den Jugendschutz, sagte Schröder. Gudrun Pieper von der CDU merkte im Sozialausschuss an, dass man dabei die Kindergärten aber nicht vergessen dürfe.
Auch das Weiterbildungsangebot für Ehrenamtliche etwa im Sport werde von der Fachgruppe unter Leitung des Sozialministeriums genau betrachtet. Gemeinsam mit dem Kinderschutzbund und dem Landesjugendring arbeitet das Sozialministerium deshalb an einem neuen Weiterbildungsangebot sowie an Hilfestellungen für Ehrenamtliche, die mit Kindern zu tun haben. Das Sozialministerium werde für weitere Qualifizierungsmaßnahmen Geld zur Verfügung stellen, sagte Schröder. Immacolata Glosemeyer (SPD) möchte, dass bei der Konzeption des Weiterbildungsangebots eine besondere Frage berücksichtigt wird: Es dürfe nicht nur darum gehen, wie Betreuer reagieren müssen, wenn ein Kind von sexuellem Missbrauch berichtet. Es gehe ihr auch darum, dass Betreuer geschult werden müssen sexuellen Missbrauch selbst zu erkennen.
Experte soll Versagen im Fall Lügde aufarbeiten
Neben der interministeriellen Arbeitsgruppe wird sich auch ein Expertengremium des Landesjugendrings mit der Thematik beschäftigen. Dort werde eine „systematische und strategische Analyse des Systems der Jugendämter“ durchgeführt. Im Landkreis Hameln-Pyrmont wird die Landesregierung zudem einen unabhängigen Experten einsetzen, um die konkreten Umstände rund um den Fall des Kindesmissbrauchs in Lügde untersuchen zu lassen. Der Landkreis selbst hatte um die externe Prüfung gebeten. Jedoch gibt es dort nun Sorgen über die Kompetenzen der Fachperson, wie die CDU-Abgeordnete Petra Joumaah (Bad Münder) berichtete. Schröder erklärte für das Sozialministerium, dass man eine erfahrene aber nicht mehr aktive Fachkraft aus dem Bereich der Jugendhilfe auswählen werde. Der Experte werde kein aktueller Mitarbeiter des Innenministeriums sein, sondern auf Honorarbasis beschäftigt.