Keine neuen Stolpersteine: Wohlfahrtsverbände begrüßen freie Wohnsitzwahl für Flüchtlinge
In Niedersachsen haben die Verbände der freien Wohlfahrtspflege die Entscheidung der Landesregierung zur freien Wohnsitzwahl für Flüchtlingen begrüßt. Der Landessekretär der Caritas, Thomas Uhlen, sagte im Gespräch mit dem Rundblick, derzeit würden niedersachsenweit tausende
Integrationsgeschichten geschrieben. Flüchtlinge kämen in Nachbarschaften, Kirchengemeinden und Betrieben an und fänden Arbeitsmöglichkeiten und Wohnungen. „Eine rückwirkende Wohnsitzauflage hätte das Buch kurz vor dem Happy End wieder zugeschlagen“, so Uhlen. Er befürchtet keine Ghetto-Bildung: „Ein Flüchtling ändert seinen Wohnsitz nicht auf der Suche nach einem Ghetto, sondern auf der Suche nach einer Lebensperspektive.“
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Auch Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sieht vor allem Nachteile bei einer rückwirkenden Wohnsitzauflage. Sie führe unnötigerweise vor Ort zu Problemen und Unsicherheit, vor allem dann, wenn schon eine Wohnung eingerichtet, ein Kindergartenplatz gefunden und ein Sprachkurs belegt worden sei. „Wir sollten uns hüten, nach solchen ersten gelungenen Schritten des Ankommens in unserer Gesellschaft den Betroffenen neue Stolpersteine in den Weg zu legen“, meint Eckhardt.
„Es ist in unserem Interesse, dass die Flüchtlinge sich dorthin orientieren, wo sie auch ihre Zukunft sehen“, sagt der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Christoph Künkel, dem Rundblick. Das werde man durch Wohnsitzauflagen auch bürokratisch gar nicht unterbinden können. Die Kommunen müssten jetzt darüber nachdenken, wie bezahlbarer Wohnraum entstehen könne, denn davon gebe es zu wenig. „Damit Integration gelingt, müssen die Menschen von Sammel- in Einzelunterkünfte.“ An verschiedenen Orten beobachtet Künkel derzeit eine Verdichtung in den Flüchtlingsunterkünften. In einem Container lebten bis zu vier Flüchtlinge. „Das ist ein Nachteil für Flüchtlinge, die gerade zum Beispiel die Sprache lernen wollen. Sie haben keinen Ort, an dem sie auch lernen können.“ Wohn- und Lernsituation stünden in einem unmittelbaren Verhältnis zueinander.
Das Innenministerium hatte die zuständigen Behörden in dieser Woche darüber informiert, dass Niedersachsen auf die Wohnsitzauflage verzichtet. Anerkannte Flüchtlinge können ihren Wohnort in Niedersachsen damit auch in Zukunft frei wählen. Asylbewerber, die nach ihrer Ankunft Niedersachsen zugewiesen wurden, müssen allerdings weiterhin in den ersten drei Jahren im Bundesland bleiben.