Von Isabel Christian

Der Anruf bei einem Frauenhaus ist für verzweifelte Frauen oft die letzte Hoffnung, doch er erfordert sehr viel Mut. Nicht nur, weil viel Willenskraft nötig ist, um den gewalttätigen Ehemann oder die zerrüttete Familie zu verlassen. Sondern auch, weil die Frau mit einer Absage rechnen muss. Das Land Niedersachsen fördert derzeit 352 Plätze in 41 Frauenhäusern in Niedersachsen. Insgesamt liegt die Auslastungsquote durchschnittlich bei 70 Prozent. Doch regional stellt sich die Situation ganz anders dar. Während Frauen in ländlichen Gebieten eher die Chance auf ein Bett im Frauenhaus haben, müssen sie in den Städten dagegen mit Absagen rechnen. Hannover, Oldenburg, Osnabrück oder Göttingen haben durchgängig eine Auslastung von mehr als 90 Prozent. Das liegt zum einen an den angespannten Wohnungsmärkten, aber auch an einer knapp bemessenen Finanzierung. Ein Frauenhaus bekommt in Niedersachsen Geld aus mindestens zwei Quellen. Eine ist die Kommune, die andere das Land. Letzteres fördert jedoch nur, wenn das Haus Platz für mehr als drei Frauen bietet und die Gesamtfinanzierung gesichert ist. Reicht die Förderung durch die Kommune dafür nicht aus, muss der Träger des Hauses eigene Mittel beisteuern oder Spenden einbringen. Das bereitet vielen Betreibern Kopfzerbrechen.

In Niedersachsen gibt es mehrere Modelle der Trägerschaft für ein Frauenhaus. Ein großer Teil sind autonome Frauenhäuser, die von einem eigens dafür gegründeten Verein getragen werden. Zum Beispiel das Celler Frauenhaus. Mit 12 Betten zählt das Haus zu den mittelgroßen Häusern in Niedersachsen, doch die Plätze sind nahezu immer belegt. „Im vergangenen Jahr haben wir 29 Frauen und deren Kinder aufgenommen, 160 mussten wir abweisen“, sagt die stellvertretende Hausleiterin, die ihren Namen nicht in der Presse lesen möchte. Das Hauptproblem ist der leergefegte Wohnungsmarkt. Blieben Frauen früher im Schnitt drei Monate im Frauenhaus, so hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mittlerweile auf bis zu sechs Monate erhöht. „Für eine alleinerziehende Frau, die meist auch Arbeitslosengeld bezieht, ist es sehr schwer, eine Wohnung zu finden“, sagt die stellvertretende Leiterin. Dazu kommt, dass viele Frauen in komplexen Lebenslagen stecken, etwa, weil psychische Probleme, Schulden oder Vorstrafen hinzukommen. Zudem hatten 20 von den 29 im vergangenen Jahr betreuten Frauen einen Migrationshintergrund und sprachen oft nur wenig Deutsch. Das erfordert viel Betreuung.

Im Celler Frauenhaus wünscht man sich daher eine bessere Finanzierung, um die Betreuung auszuweiten. „Momentan sind wir ein bisschen wie die Feuerwehr. Wir helfen bei akuten Schwierigkeiten, aber für eine intensive individuelle Betreuung brauchen wir zwei bis drei Kräfte mehr“, sagt die stellvertretende Hausleiterin. Neben der Förderung von Land bekommt das Frauenhaus vom Landkreis Celle einen Zuschuss zu den Betreuungskosten in Form von Tagessätzen. Ist eine Frau arbeitslos gemeldet, zahlt das Jobcenter die Unterbringungskosten. Berufstätige müssen diesen Beitrag selbst zahlen. Das diskriminiert jedoch jene, die nur ein kleines Gehalt haben. „Eine personenunabhängige Finanzierung wäre deshalb weniger verwaltungsaufwändig und gerechter“, sagt die stellvertretende Hausleiterin.

Das würde auch die Verwaltung des Frauenhauses in Delmenhorst begrüßen. Hier ist der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt Träger, wie in einigen anderen niedersächsischen Kommunen auch. Sechs Plätze hat das Haus, die Auslastung ist hoch, aber nicht besorgniserregend.  Das Frauenhaus finanziert sich über die Tagessatzabrechnung mit dem Landkreis und die Beihilfe vom Land und ist darauf auch angewiesen. „Wir sind ein kleiner Verband und haben dementsprechend wenig finanzielle Mittel. Einen Eigenanteil können wir gar nicht bezahlen“, sagt Geschäftsführerin Doris Fuhrmann. In Stade wiederum ist der Landkreis allein für den Betrieb des Frauenhauses zuständig. Es ist ein kleines Haus mit fünf Einzelzimmern für Frauen und ihre Kinder. Dieses war im vergangenen Jahr nur zu 46 Prozent ausgelastet. Dennoch bewertet der Landkreis den Finanzaufwand als enorm. Rund 187.000 Euro hat der Betrieb des Hauses im vergangenen Jahr gekostet, 59.000 Euro an Zuschüssen sind geflossen, einschließlich der Finanzierungshilfe des Landes von rund 50.500 Euro. Damit musste der Landkreis mit rund 128.000 Euro gut zwei Drittel der Kosten tragen.

Ändern wird sich daran wohl wenig. Das Sozialministerium wertet die Förderung von Frauenunterkünften als kommunale Aufgabe und den Beitrag des Landes als reine Ergänzung. Wie viel Geld aus dem Landeshaushalt das Sozialministerium einem Frauenhaus zukommen lässt, ist in der Richtlinie zur Förderung der von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen geregelt. Pauschal bekommt ein Haus für jeden Platz 3700 Euro. Darin enthalten sind Zuschüsse zu Personal- und Sachkosten sowie zur Kinderbetreuung. Denn die Frauen bringen meist nicht nur sich, sondern auch ihre Kinder im Frauenhaus in Sicherheit. Daher ist ein Bett im Frauenhaus nicht gleichzusetzen mit einem Platz. Darüber hinaus zahlt das Land 22.000 Euro, wenn es mindestens eine halbe Stelle für eine psychosoziale Beraterin gibt. Werden Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund beraten, kommt eine Pauschale hinzu. Diese ist nach der Anzahl der Frauen gestaffelt. Für die Beratung von bis zu 15 Migrantinnen im Jahr gibt es 5000 Euro, ab 61 Frauen 25.000 Euro.

Doch zumindest von Seiten des Landes können die Frauenhäuser künftig mit mehr Unterstützung rechnen. Die Richtlinie wird derzeit überarbeitet, denn der Haushalt hierfür ist aufgestockt worden und damit steht auch mehr Geld für die Förderung von Frauenhäusern zur Verfügung. Zudem können in diesem Jahr einmalig auch Häuser die geförderten Plätze erhöhen, wenn sie zu 70 Prozent und mehr ausgelastet sind. „Damit reagiert das Ministerium auf die Aussicht, dass durch den Flüchtlingszuzug mehr Migrantinnen Hilfe bei den Frauenhäusern nachfragen werden“, sagt Sozialministeriumssprecherin Naila Eid. Bisher konnten Frauenhäuser nur dann Förderung für mehr Plätze beantragen, wenn sie drei Jahre hintereinander zu mindestens 80 Prozent ausgelastet waren.