Darum geht es: Die Wirtschaft in Niedersachsen boomt. Und das wird laut Konjunkturumfrage der IHKN auch in diesem Jahr so bleiben. In einer Branche gibt es allerdings teilweise ein gewaltiges Problem. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Das Bauhauptgewerbe freut sich über volle Auftragsbücher, bei den Banken läuft das Kreditgeschäft gut, die Dienstleister sprechen von einer sehr guten Geschäftsentwicklung. Die Konjunkturumfrage der IHK Niedersachsen (IHKN) war gespickt mit guten Nachrichten. Nur fünf Prozent der Unternehmen sind mit der aktuellen Geschäftslage unzufrieden. „Eine so breite Zufriedenheit hatten wir seit 30 Jahren nicht mehr“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführer Horst Schrage. Eine Ausnahme gab es allerdings. Auf einer Seite der Powerpoint-Präsentation war die Lage in den jeweiligen Branchen zusammengefasst. Beim Einzelhandel war zu lesen: „Trübe Aussichten im stationären Handel.“

Am Einzelhandel geht der Boom vorbei. Hier zeigt sich, wie König Kunde selbst die berühmt-berüchtigte digitale Transformation auslöst. Der Supermarkt ist immer noch um die Ecke, weil bei den Nahrungsmitteln der Online-Handel mit einem Marktanteil von unter zwei Prozent nach wie vor keine Rolle spielt. Und wir fahren nach wie vor mit dem Auto zum Baumarkt. Nur 4,6 Prozent bestellen sich Heimwerkerprodukte im Internet. Allerdings wird inzwischen jedes vierte Elektrogerät, Buch oder Kleidungsstück online gekauft. Und so wundert es nicht, dass Experten prognostizieren, dass in 15 Jahren jedes zweite größere Einzelhandelsunternehmen vom Markt verschwunden ist. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet mit einem Verlust von 50.000 Geschäften in den kommenden Jahren.

Für die Städte ist das eine erschreckende Zahl, denn abseits der Georgstraße in Hannover, der Großen Straße in Osnabrück oder der Langen Straße in Oldenburg wird das in den kommenden Jahren nach und nach immer stärker sichtbar werden. Dabei gilt: Je kleiner die Stadt, desto größer könnte das Problem werden. In strukturschwachen Gebieten ist heute schon zu besichtigen, wie traurig und unattraktiv eine Verödung von Zentren in der Realität aussieht. „Stirbt die Schule, stirbt das Dorf“, hieß es einmal. Der Satz gilt heute immer noch. Allerdings: Stirbt der Einzelhandel, ist die Stadt oder das Dorf für mögliche neue Anwohner auch nicht mehr interessant.

Bange machen gilt nicht. Der Handel wird mit noch mehr innovativen Konzepten die Kunden in die Läden locken müssen, das gilt auch für die kleinen Läden.

Der Handel ist dabei gleich mehrfach unter Druck. Denn er leidet ohnehin an einer relativ geringen Gewinnmarge und sieht sich zugleich in den Städten mit den stark angezogenen Mietpreisen konfrontiert. Städte und Handel stehen nun vor einer Mammutaufgabe. Bange machen gilt nicht. Der Handel wird mit noch mehr innovativen Konzepten die Kunden in die Läden locken müssen, das gilt auch für die kleinen Läden. Nur ein Geschäft kann dem Kunde ein Einkaufserlebnis bieten, das im Internet so nicht möglich ist. Auch die Läden selbst können im Internet besser und professioneller auftreten. Für die Städte wiederum wird das Quartiersmanagement eine noch größere Rolle spielen. Eine Chance können zum Beispiel Business Improvement Districts, sogenannte BIDs, sein. Dabei schließen sich Hauseigentürmer zusammen um das eigene Quartier aufzuwerten. Das müssen sie zwar aus eigener Tasche bezahlen, es kann sich aber rechnen.

Schema F war gestern. Der lokale Einzelhandel wird künftig voraussichtlich noch mehr Umsätze an die Online-Konkurrenz verlieren. Es wird Mut und Kreativität nötig sein, um sich dem Trend weiter entgegenzustemmen und eine möglichst große Vielfalt an Einzelhändlern in den Städten zu erhalten.

 

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