Darum geht es: In einer bemerkenswerten Kabinettssitzung hat die Landesregierung gestern drei umstrittene Gesetze abgeräumt – und damit den lange gärenden internen Streit beigelegt. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Wer in den vergangenen Wochen öfter mal die Landtagsdebatten erlebt hat, musste den Eindruck einer wachsenden Gereiztheit zwischen SPD und Grünen gewinnen – beim Wassergesetz, beim Bau neuer Autobahnen, bei der Krippenfinanzierung oder beim Polizeigesetz schienen die Partner längst nicht mehr so harmonisch zueinander zu stehen wie noch zu Beginn der Legislaturperiode. Abnutzungserscheinungen nach vier Jahren Regierungsarbeit?

Seit gestern scheint es, als seien die Missstimmungen ausgeräumt zu sein. Erkennbar wird ein großer Kompromiss. SPD und Grüne, so ist zu spüren, haben ihre Konfliktthemen geklärt – und erste Pflöcke dazu in der gestrigen Kabinettssitzung eingeschlagen. Zweimal musste die SPD nachgeben, einmal haben es die Grünen getan. Damit steht es 2 zu 1 für die Grünen. Wenn am Freitag der Kultusausschuss tagt und über die Einfügung eines Nikab-Verbotes in das Schulgesetz beraten wird, kann es schnell 2 zu 2 stehen, denn womöglich werden dann die Grünen nachgeben und den Wunsch der SPD, das Schulgesetz zu ergänzen, erfüllen. Damit ist – vorerst – alles getan, die Harmonie zwischen Sozialdemokraten und Grünen in der niedersächsischen Koalition wieder herzustellen.

Worin bestehen nun die Kompromisse im Einzelnen? Zunächst das Wassergesetz: Der starke ökologische Flügel um die Grünen-Minister Stefan Wenzel (Umwelt) und Christian Meyer (Landwirtschaft) wollte auch bei kleinen Flüssen einen Randstreifen von fünf Metern sichern, der bei der Bewirtschaftung strikt einzuhalten sein soll. Dies sei nötig, damit weder Dünge- noch Pflanzenschutzmittel in den Fluss und damit mittelbar auch in das Grundwasser gelangen. Die Tatsache, dass es vielerorts schon bedenkliche Nitratbelastungen im Trinkwasser gibt, ist für beide Minister Anlass für entschlossenes Handeln. Die SPD um Fraktionschefin Johanne Modder hingegen, die ein offenes Ohr für die Bedenken der Landwirte hat, vor allem für die im Nordwesten Niedersachsens, sperrte sich gegen Wenzels Plan – sie hielt ihn für realitätsfern, da in vielen Gegenden die Flächen so klein sind, dass sie bei einem Fünf-Meter-Randstreifen gar nicht mehr zu beackern sind. Monatelang blieb der Konflikt ungeklärt, jetzt ist klar: Wenzel lenkt ein, der Abstand kann auch auf einen Meter schrumpfen, wenn die Landwirte entsprechende moderne, präzise arbeitende Geräte nutzen.

Das Nachgeben des Umweltministers steht einem Einlenken der SPD bei zwei anderen Gesetzen gegenüber. Die Kommunalverbände, in denen SPD und CDU tonangebend sind, hatten heftig auf das Transparenzgesetz geschimpft, das Bürgern einen Anspruch zusichert, auch ohne besonderen Grund interne Behördenauskünfte zu bekommen. Bisher sei die Akteneinsicht etwa in Kommunen ein Privileg der ehrenamtlichen Ratsmitglieder, und dieses werde gestört, hieß es. Der Entwurf der zuständigen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) sei „überflüssig“.  Doch die Kommunen finden damit in der Regierung kein Gehör, auch die SPD winkt den Entwurf von Niewisch-Lennartz durch an den Landtag. Ebenso ist es mit dem „Agrarstrukturgesetz“ von Landwirtschaftsminister Meyer. „Nicht administrierbar“ schimpften die Kommunen, der Personalaufwand für die Ermittlung der Pachtpreise und der rechtlich schwer feststellbaren „marktbeherrschenden Stellung“ einzelner Landwirte sei viel zu hoch. Doch wenn die Kommunen gemeint hätten, über die SPD-Schiene würde ihr Protest Früchte zeigen, haben sie sich getäuscht – auch hier gibt die SPD im Kabinett gegenüber den Grünen nach und winkt Meyers Gesetz durch.

Gibst Du mir, so gebe ich Dir – dieses alte politische Prinzip zur Konfliktlösung hat in der Landesregierung gestern wieder funktioniert, womöglich wird dieser Handel mit einem Ja zur Schulgesetznovelle noch in dieser Woche gekrönt. Rot-Grün kommt damit wieder etwas mehr in die Offensive, die Koalition zeigt wieder Handlungs- und Gestaltungswillen. Allerdings gilt dies zunächst nur vorläufig, denn in einigen Paragraphenwerken – etwa beim Agrarstrukturgesetz – liegt der Teufel im Detail. Dass die Regierung die Sache dem Landtag übergibt, heißt eben noch lange nicht, dass die Gesetze schon beschlussreif wären und dort dann auch zügig beschlossen werden. Es wird aufwendige Beratungen, Anhörungen und juristische Prüfungen geben. Ob am Ende denn tatsächlich alle Vorhaben wie im Kabinett geplant umgesetzt werden, bleibt weiter zweifelhaft.

 

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