Der Auftritt von Daniela Behrens vor dem Untersuchungsausschuss zur Vergabeaffäre dauert nicht einmal eine Viertelstunde. Ihr Anwalt verliest im Sitzungsraum eine Erklärung der ehemaligen Staatsekretärin, die nach der fehlerhaften Neoskop-Vergabe entlassen worden war: „Eine umfassende und kurzfristige Aufklärung der Angelegenheit liegt selbstverständlich auch in meinem Interesse. Da jedoch ein Strafverfahren gegen mich bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde, mache ich von meinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch.“ Angaben zur Personen musste sie dennoch machen. Auf die Frage nach ihrem Alter antwortete sie: „Das muss ich sagen, oder?“ Es ist das einzige Mal, dass an diesem Tag im Sitzungsraum gelacht wird. Den Rest des Tages über hört man den Zeugen eher erstaunt zu, als sie von den Umständen der Sieben-Städte-Tour für Elektromobilität berichten.

Sagte im Untersuchungsausschuss nicht aus: Ex-Staatssekretärin Daniela Behrens – Foto: MB.

Auch gegen den damaligen Projektmanager der Tour, Roman Mölling, wird in der Vergabeaffäre derzeit ermittelt. Während Behrens und der ehemalige Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums, Stefan Wittke, aber nicht aussagen wollen, entscheidet sich Mölling anders. Sein Mandant wolle, dass die Wahrheit auf den Tisch kommt, erklärt Möllings Anwalt Matthias Waldraff. „Er will sich nicht verstecken. Er möchte aussagen, damit sich das, was er erlebt hat, nicht noch einmal wiederholt.“ Waldraff spricht von einer massiven Form des Machtmissbrauchs sowie von Inkompetenz und völliger Überforderung. Im Zentrum der Vorwürfe steht Stefan Wittke, der damalige Pressesprecher.

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Vor Mölling liegen keine Unterlagen. Er berichtet aus der Erinnerung, wie Wittke ihn damals als Projektleiter an Bord für die Sieben-Städte-Tour an Bord holte, als Mölling sich gerade selbstständig gemacht hatte, und wie danach alles aus dem Ruder lief. Würden sich Wittke und Mölling heute auf der Straße begegnen, man wüsste nicht genau, wer die Straßenseite schneller wechseln würde. Schon zu Beginn gab es erste Unstimmigkeiten. Der Medienprofi Mölling, der zuvor unter anderem Leiter der ADAC Kommunikation in Niedersachsen war, wurde damals zwar als Projektleiter geholt. Aber schon, als es um die E-Mail-Signatur ging, sei er von Wittke zurückgestuft worden, berichtet er im Ausschuss. Mölling sollte nur Projektkoordinator sein. Die Leitung für das Projekt mit dem Budget von einer Million Euro sollte bei Wittke liegen. Angesichts der Vergabepannen ist das für Mölling heute sogar hilfreich. Er kann jetzt sagen: „Ich habe damals nur im Auftrag gehandelt, ich hatte kein Prokura.“

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Stirnrunzeln gibt es in Bezug auf die Professionalität des Wirtschaftsministeriums. „Was ist überhaupt die Zielsetzung der Tour? Warum machen wir das?“, fragte Mölling damals kurz nachdem er engagiert worden war, ohne darauf eine Antwort zu bekommen. Er habe daraufhin erst einmal einen Workshop initiiert, um die Ziele festzulegen, mit denen er arbeiten konnte. Dennoch: Schon ein halbes Jahr nach dem Start steht das Projekt Mölling zufolge vor dem Aus. Kein einziger Autohersteller hatte Interesse, Mölling wollte am liebsten wieder aus seinem Vertrag heraus. Dazu gab es aber kaum eine Möglichkeit, der Medienexperte spricht von einem Knebelvertrag. Als die Vorbereitungen stockten, erhöhte Wittke den Druck. „Er hat mich regelrecht gezwungen, ein Büro im Ministerium zu beziehen.“

Das war menschlich eine schwere Enttäuschung – Roman Mölling

Die Sieben-Städte-Tour wird durchgepeitscht, das menschliche Verhältnis bleibt weiter schwierig. Wittke lästert angeblich bei Mitarbeitern über Mölling, die wiederum klagen bei Mölling über Wittke. „Ich saß in meinem Büro 15 Meter weiter, konnte ihn aber trotzdem hören“, sagt Mölling und berichtet von cholerischen Ausbrüchen. Wittke habe ihn auch am Telefon angeschrien. Im Ministerium habe man zu Mölling gesagt: „Jetzt bist Du auch Genosse. Leidensgenosse.“ Und der Minister und die Staatssekretärin? Lies und Behrens hätten es anderthalb Jahre geschafft, ihn perfekt zu grüßen und nicht einmal mit ihm zu sprechen. Eine der traurigsten Stunden sei für ihn der Abschluss des Projekts gewesen. Lies habe für jeden der mehr als 40 Beteiligten der Tour ein warmes Wort gefunden, nur nicht für Mölling. „Das war menschlich eine schwere Enttäuschung. Ich habe nur die Vermutung, dass Stefan Wittke ihm die Rede geschrieben hat.“ Anhand der Reaktionen des Wirtschaftsministers vermutet Mölling, dass Wittke gegenüber Lies auch während des Projekts schlecht über ihn gesprochen hat.

Dass Lies etwas von den Vergabepannen mitbekommen hat, konnte auch gestern im Ausschuss nicht belegt werden. Dennoch denkt die CDU darüber nach, ihn noch einmal als Zeugen zu befragen. „Es gibt nicht nur absolute chaotische Verhältnisse in der Staatskanzlei, sondern auch im direkt Umfeld von Wirtschaftsminister Lies“, sagte CDU-Obmann Uwe Schünemann. „Hier hat man einen Pressesprecher walten lassen, der von Verwaltungsabläufen keine Ahnung hat.“ Und man könne den Eindruck haben, dass Wittke den Minister informiert habe. Deshalb ließe sich nicht mehr behaupten, Lies habe von den Vorgängen nichts gewusst. SPD-Obmann Grant Hendrik Tonne sieht keinen Anlass für eine erneute Einladung von Lies. Es gebe keine Widersprüche zu seinen bisherigen Aussagen.

Lies hat mit aller Kraft versucht, zwischen sich und den Vorgängen und Beteiligten der Sieben-Städte-Tour Distanz zu schaffen. Ganz am Ende der Befragung präsentiert FDP-Obmann Christian Grascha einen Zeitungsartikel, in dem Olaf Lies zitiert wird: „Ich persönlich kannte Herrn Mölling nicht“, soll Lies gesagt haben. Allerdings waren sich Lies und Mölling in den Vorjahren schon häufiger begegnet, Mölling hatte sogar Veranstaltungen mit dem Minister moderiert. Sein Anwalt, Matthias Waldraff, meint, bei dem Zitat müsse der Minister ein Blackout gehabt haben. Für Mölling ist es ein weiteres Stück im Mosaik der Enttäuschung: „Das hat mich sprachlos gemacht, als ich das gelesen habe.“ (MB.)