Darum geht es: In ihrer Koalitionsvereinbarung haben Union und SPD festgehalten, sich stärker für den öffentlichen Nahverkehr einsetzen zu wollen. Die Grünen sehen in den Vorhaben jedoch nur eine Weiterführung der bestehenden Situation. Ein Kommentar von Isabel Christian.

Von Torfhaus im Oberharz bis ins benachbarte Altenau sind es acht Kilometer. Wer die Strecke fahren will, muss ein Auto haben, denn 2012 wurde die letzte Busverbindung eingestellt. Will man nun von Torfhaus nach Altenau mit dem öffentlichen Nahverkehr, fährt man Bus bis Bad Harzburg, von dort aus weiter mit dem Zug nach Goslar, danach wieder in den Bus nach Clausthal-Zellerfeld und zum Schluss steigt man um in den Bus nach Altenau. Die Fahrt dauert etwa zwei Stunden und führt durch vier Tarifzonen, kostet also knapp zehn Euro. Selbst für eine Rundreise zu den schönsten Ecken im Westharz ist das ein bisschen viel. Nun kann man argumentieren, was fährt man überhaupt erst von Torfhaus los? Außer ein paar Ferienhäusern, der Hotelanlage und ein paar Geschäften gibt es da doch nichts. Das Traurige ist aber, dass sich dieses Beispiel auch auf andere Orte in Niedersachsen anwenden lässt. Kleine Orte, weitab vom Dunstkreis der Großstädte, in denen Menschen wohnen. Ob mit Tourismus oder ohne, spielt keine Rolle, ihre Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist dürftig.

CDU und SPD ergehen sich im Koalitionsvertrag darüber, wie umweltfreundlich sie Busse und Bahnen mit Wasserstoff- und Stromantrieb machen wollen, wie sie Fahrplaninformationen in Echtzeit per Smartphone an die Fahrgäste senden lassen wollen und wie sie das Zusammenspiel aus Sammeltaxis, ÖPNV und Bürgerbussen besser organisieren wollen. Alles schön, gut und wichtig – aber sinnlos, wenn gar kein Bus fährt. Die niedersächsische Bevölkerung wird immer älter und gerade die Älteren leben auf dem Land. In kleinen Ortschaften, in denen sie sich vor Jahrzehnten den Traum vom Eigenheim verwirklicht haben oder in die sie gezogen sind, weil wegen der geringen Miete mehr von der Rente bleibt. Viele von ihnen haben kein Auto oder dürfen keins mehr fahren. Sie sind auf die „Öffis“ angewiesen. Dazu kommen Schüler, die nicht immer ihre Eltern bitten wollen oder können, wenn sie zum Kino in die nächste Stadt wollen.

Es darf nicht sein, dass Menschen ohne Auto ein kleines Vermögen ausgeben müssen, nur um zum Arzt in den Nachbarort zu kommen.

Nun ist es wirtschaftlich verständlich, wenn kein Unternehmen eine Buslinie in einen Ort betreiben will, auf der am Tag nur drei Menschen mitfahren. Aber dann muss eine andere Lösung her. Bürgerbusse sind eine schöne, weil gemeinschaftsbildende Lösung. Die Fahrer und ihre Passagiere kennen sich oft gut, da wird auch mal eine Ausnahme gemacht und ein kurzer Umweg gefahren, um jemanden näher am Zuhause abzusetzen. Doch Bürgerbusse rentieren sich für die privaten Betreiber oft nicht, stattdessen kosten sie mehr als der Aufwand nutzt. Hier muss das Land stärker finanziell unterstützen, denn ein solches Engagement darf nicht einfach an den wirtschaftlichen Zwängen scheitern. Auch Sammeltaxis sind eine Möglichkeit, abgeschiedene Orte an den Personennahverkehr anzubinden. Allerdings muss hier die Organisation wesentlich besser geregelt werden. Auch Ortsfremden muss sofort klar werden, wie sie das Sammeltaxi rufen oder ob es zu bestimmten Zeiten fährt und wo man einsteigt. Darüber hinaus geht es auch hierbei ums Geld. Vor allem auf dem Land sind Taxifahrten teuer, denn die Strecken sind bekanntlich weit. Es darf aber nicht sein, dass Menschen ohne Auto ein kleines Vermögen ausgeben müssen, nur um zum Arzt in den Nachbarort zu kommen.

Egal, für welche Lösung man sich am Schluss entscheidet, die neue Landesregierung muss dafür sorgen, dass jeder Ort in Niedersachsen in einer akzeptablen Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, und das zu einem fairen Fahrpreis. Sonst wird der Ansturm auf die Städte weitergehen und die Ortschaften in den ländlichen Gebieten weiter sterben.

Mail an den Autor dieses Kommentars