Jeder achte des anderen Recht auf einen Teil vom Trinkwasser
Darum geht es: Im Landkreis Stade kam am Wochenende zeitweise kein Wasser mehr aus den Hähnen, jetzt haben die Wasserversorger der Landkreise Stade und Heidekreis ihre Kunden dazu aufgerufen, Wasser zu sparen. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Wasserversorger fordern zur Sparsamkeit auf
Wenn man es mit Rudi Carrells Augen sieht, erlebt Niedersachsen derzeit endlich mal wieder einen richtigen Sommer. „Und was wir da für Hitzewellen hatten –Pulloverfabrikanten gingen ein – Da gab es bis zu vierzig Grad im Schatten – Wir mussten mit dem Wasser sparsam sein“, sang der niederländische Entertainer in seinem Hit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“. Wohlbemerkt, der Titel ist von 1975. Schon zu der Zeit war Wassersparen im Sommer etwas, was nur selten vorkam, sonst hätte Carrell sicher ein anderes Beispiel gewählt. Früher dürfte das allerdings vor allem daran gelegen haben, dass der Sommer lang, heiß und regenarm war, sodass die Wasserspeicher irgendwann geleert waren. Gut 40 Jahre später reichen die Brunnen tiefer, die Stauseen sind zahlreicher und die Technik zur Trinkwassergewinnung ist ausgefeilter. Und dennoch fordern Wasserversorger wieder zur Wassersparsamkeit auf. Der Grund dafür zeigt die Grenzen der modernen Technik – und wo die Grenzen des Selbstverständlichen liegen.
Wasser ist noch da, das Problem ist technischer Natur
Es gibt tatsächlich einen Unterschied zwischen der von Carrell besungenen Wasserknappheit und der, die zahlreiche Einwohner von Harsefeld im Landkreis Stade am Wochenende kennengelernt haben. Denn es sei noch Wasser da und das dürfte auch noch eine ganze Weile reichen, sagte ein Mitarbeiter des Trinkwasserverbands Stader Land in einem Gespräch mit dem NDR. Das bestätigen auch die Stadtwerke Böhmetal. Das Problem liegt vielmehr auf der technischen Seite. Rund 900 Kubikmeter Trinkwasser – in etwa die Menge zweier durchschnittlich großer Schwimmbecken – pumpen die Stadtwerke zurzeit durch die Leitungen zu ihren Kunden – ein gutes Drittel mehr als sonst. „Die Förderbrunnen und die Aufbereitungsanlagen in den Wasserwerken laufen deshalb an ihrem Limit“, teilen die Stadtwerke Böhmetal auf ihrer Internetseite mit. Dadurch sinkt der Druck in den Leitungen, je weiter das Wasser fließen muss, wodurch bei weiter entfernten Haushalten nur noch ein Rinnsal aus dem Hahn kommt. Dass plötzlich so viel mehr Wasser verbraucht wird, liegt den Wasserversorgern zufolge im Wesentlichen an zwei Dingen: private Pools und Gartenberegnung. Deshalb hat der Wasserverband beides nun verboten.
Es fällt schwer, Selbstverständliches zu teilen
Eigentlich dürfte das kein großes Problem sein. Schließlich gibt es Freibäder und Gießkannen, beides darf benutzt werden. Doch in den sozialen Medien gehen die Emotionen hoch. Landwirte werden verantwortlich gemacht, die Industrie verteufelt und geprahlt, dass man ja heute Morgen schon seinen Pool gefüllt habe. Die Debatte – und das Wassernutzverhalten im Allgemeinen – zeigen, dass Wasser hierzulange schon zu etwas so Selbstverständlichem geworden ist, dass es so manchem schwerfällt, es vernünftig zu nutzen. Und noch schwerer, es zu teilen. Da wird ein Bauer verhöhnt, der das Trinkwasser für seine Tiere und die Säuberung des Melkstands einteilen muss, weil er Massentierhaltung betreibt. Da wird auf Bauern geschimpft, die ihre Felder den ganzen Tag beregnen. Dass dieses Wasser direkt aus dem Grund kommt, keinen Umweg über das Nadelöhr Trinkbereitungsanlage macht, und damit nicht Teil des Problems ist – geschenkt! Wichtig ist dagegen, dass das Kind sich nach der Schule im eigenen Planschbecken aalen kann und der Garten stets so frisch aussieht wie nach einem Sommerregen. Denn das ist Teil der individuellen Freiheit und des Rechts auf Selbstbestimmung.
Wichtiges und Unwichtiges trennen
Der Wassermangel und der damit verbundene Aufruf zum Trinkwassersparen ist weit mehr als ein kleiner Eingriff in die persönliche Freiheit. Es ist ein Weckruf, das Selbstverständliche wieder zu achten. Und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Bei Stromausfällen gelingt das gut. Selbst wer als Privatmensch ein Notstromaggregat zu Hause hat, betreibt damit nicht den Fernseher, sondern den Kühlschrank und die Heizung. Und lässt den Nachbarn im besten Fall das Handy laden. Warum aber muss bei Wassermangel der Rasensprenger stundenlang die gleiche Stelle berieseln, während der Nachbar kein Wasser zum Duschen hat? Ein solches Verhalten hat nicht mehr viel mit Selbstbestimmung zu tun, es spricht lediglich von Egoismus.