Innenministerium will „Gefährder“ enger definieren
In Niedersachsens Gefängnissen sitzen zurzeit neun Menschen in Haft, die das Innenministerium als potenzielle Terroristen einstuft. Sieben weitere werden von der Polizei überwacht. Mit diesen Zahlen konkretisierte das Ministerium die Angaben zu den Gefährdern in Niedersachsen und reagierte damit auf eine mündliche Anfrage der FDP. Die Liberalen hatten nachgehakt, nachdem Innenminister Boris Pistorius Anfang Februar erste Zahlen zu potenziellen Terroristen in Niedersachsen bekanntgegeben hat.
Damals hatte der Minister von 45 Menschen berichtet, die in Niedersachsen gemeldet sind oder waren und denen Polizei und Verfassungsschutz zutrauen, einen Terroranschlag zu begehen. Diese Zahl dürfte sich bereits wieder geändert haben. Das liegt auch daran, dass der Begriff des Gefährders momentan sehr schwammig gefasst und damit ein Interpretationsspielraum möglich ist. Den Begriff „Gefährder“ hat eine Arbeitsgruppe aus Leitern der Kriminalämter 2004 entwickelt, um Personen zu beschreiben, bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen“ werden, wie der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte. Die Definition ist kein juristischer Begriff, sondern stützt sich auf Paragraf 100a der Strafprozessordnung. Darin ist aber nur festgelegt, dass bei Verdacht auf die Planung und Vorbereitung einer schweren Straftat die Telekommunikation abgehört und aufgezeichnet werden darf. Auch zu den Voraussetzungen, wann eine Person als Gefährder einzustufen ist, gibt es keine näheren Angaben. Die Auslegung ist daher den Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz überlassen. Das will die niedersächsische Landesregierung mit ihrem neuen Polizeigesetz ändern.
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Der FDP ging es mit ihrer mündlichen Anfrage in erster Linie darum, zu erfahren, wie die Sicherheitsbehörden mit den als Gefährder identifizierten Personen umgehen. Denn dazu konnte Pistorius in der Plenumssitzung am 2. Februar nichts sagen. Er berichtete lediglich, dass 26 der als Gefährder eingestuften Menschen entweder tot seien oder sich im Ausland aufhielten. In der schriftlichen Antwort auf die Anfrage der FDP konkretisierte das Ministerium nun auch, auf Basis welcher Informationsquellen diese Einschätzungen beruhten. Demnach ziehe das Landeskriminalamt die Informationen sowohl aus Geheimdienstinformationen und Zeugenaussagen, wie auch aus der Auswertung sozialer Medien und der Befragung von Angehörigen und Bekannten.
Eine weitere Anfrage der FDP ergab, dass unter den zwischen 2013 und 2016 aus Niedersachsen abgeschobenen Menschen auch ein Gefährder war. Die Zahl könnte sich demnächst auf drei erhöhen, denn auch die beiden Anfang Februar in Göttingen festgenommenen Männer sitzen derzeit in Abschiebehaft am Flughafen Langenhagen. Im Zusammenhang mit den Durchsuchungen wird nicht wegen einer Straftat gegen den Algerier und den Nigerianer ermittelt, der Anfangsverdacht habe sich nicht bestätigt. Dennoch halten die Sicherheitsbehörden die bei der Razzia gefundenen Beweisstücke für so aussagekräftig, um die beiden auf Grundlage des Paragrafen 58a des Aufenthaltsgesetzes abschieben zu können. Darin ist eine sofortige Abschiebung dann möglich, wenn eine „auf Tatsachen gestützte Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“ vorliegt. Auch hier gibt es Raum für Interpretation.