Im Wettlauf der Kassenzettel-Apps setzt das Startup epap zum Sprint an
Morgens die Brötchen beim Bäcker, dann zweimal in der Woche der Großeinkauf – und Tanken muss auch mal sein: Rund 250 Einkäufe tätigt der durchschnittliche Deutsche pro Jahr, bei den er mit Bargeld oder Karte bezahlt. Und bei jeder dieser insgesamt knapp 20 Milliarden Transaktionen wird zwangsläufig auch Papier bedruckt. Seit der Einführung der „Belegausgabepflicht“ am 1. Januar 2020 ist jedes Geschäft dazu verpflichtet, bei einem Einkauf einen Kassenbon auszugeben – mit erheblichen Folgen für die Umwelt.
Fünfmal die Strecke von der Erde zum Mond, also insgesamt mehr als zwei Millionen Kilometer zusätzliches Bonpapier sind durch die Bonpflicht hinzugekommen, wie das EHI-Retail-Institute aus Köln ausgerechnet hat. Für das zusätzliche Papier werden 12.540 Tonnen Holz benötigt. Das entspricht einer Fichte pro Stunde oder aufs Jahr umgerechnet dem Gewicht von insgesamt rund 90 Blauwalen (mit je 140.000 Kilogramm).
Diesem Papierverbrauch hat das mit Beginn der Bonpflicht gegründete Startup „epap“ in Hannover den Kampf angesagt. Bereits vor 2020 hatten zwei der vier Gründer, Fabian Gruß und Sebastian Berger, unabhängig voneinander die Idee, Kassenbons zu digitalisieren. Sie vernetzten sich auf einer Gründerveranstaltung, gewannen mit Jannis Dust und Gerd Trang noch zwei weitere Gründer, bekamen ein Stipendium vom Land Niedersachsen und legten los mit dem Programmieren. Seitdem haben sie eine eigene App und eine Software für bereits bestehende Kassensysteme entwickelt und sind mittlerweile ein Team aus 12 Mitarbeitern (davon acht Festangestellte). Seine Büroräume hat das Startup in der Venture-Villa an der hannoverschen Walderseestraße.
QR-Code statt Bon: Rund 50 Einzelhändler kooperieren mit epap
„Wir hatten selbst Bedarf nach digitalen Kassenbons. In der heutigen Zeit muss so eine Papierverschwendung nicht mehr sein“, sagt epap-CEO Fabian Gruß. Um den Kassenbon zu digitalisieren, haben die Nutzer seiner App verschiedene Möglichkeiten: Sie können den Zahlungsbeleg abfotografieren, abtippen oder per E-Mail hochladen. Papier wird aber erst mit der vierten Option gespart: In ausgewählten Geschäften kann der Kunde einen QR-Code scannen, sodass der Bon direkt in der App auftaucht. Zuvor müssen die Geschäfte jedoch eine Schnittstelle für epap (eine sogenannte API) in ihr Kassensystem installieren. Die Daten werden dann nicht an den Belegdrucker, sondern an das Startup selbst übermittelt. Dort wird innerhalb eines Sekundenbruchteils der Bon digitalisiert und an den Nutzer durch das Scannen des QR-Codes weitergeleitet. Der gedruckte Kassenbeleg wird damit überflüssig.
Fast 50 Einzelhändler und Kassenunternehmen, die zusammen auf 5000 Kassen kommen, kooperieren bereits mit Epap. „Unser Fokus liegt auf Einzelhändlern und der Gastro-Szene“, sagt Gruß. Die an die er meist durch die Kassenunternehmen selbst herantritt. Edeka und Rewe bieten bereits ihre eigene Kassenbon-Appan. Wer die epap-App auf seinem Smartphone installiert hat, kann die Bons aber auch hier empfangen. Entgegen der weit verbreiteten Befürchtung sei auch ein Umtausch mit einem digitalen Bon möglich, sagt Gruß. „Rechtlich bräuchte ich nicht einmal den Original-Beleg, sondern nur einen Zeugen.“ Zur Not kann man den Bon bei epap auch wieder ausdrucken.
„Unser Fokus liegt auf dem Endnutzer. Es braucht einen Mehrwert, damit die breite Masse digitale Belege nutzt.“
Fabian Gruß
Der Markt für digitale Kassenbons ist umkämpft. Auch andere Startups wie Green Bill (Göppingen), Leaf Labs (Berlin), Bill Less (Böblingen), Wunderbon (Monheim am Rhein) oder Anybill (Regensburg) hoffen auf den ganz großen Durchbruch. Das bayerische Startup sammelte erst kürzlich 1,9 Millionen Euro ein, um sich auch als Banking-App aufzustellen. Die Hannoveraner arbeiten ebenfalls beständig an der Weiterentwicklung von epap. „Wir werden wohl nie komplett fertig werden“, scherzt Gruß.
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Die App lässt sich inzwischen auch mit dem eigenen Konto verbinden, sodass der aktuelle Kontostand angezeigt wird und auch Banktransaktionen mit den zugehörigen Belegen verknüpft sind. Zusätzlich können die Einnahmen und Ausgaben ausgewertet werden, weitere Filter sorgen für einen detaillierteren Einblick. Für die Steuererklärung wirbt epap mit seiner Exportfunktion, mit der Belege und Transaktionen in unterschiedliche Formate oder Programme wie Microsoft Excel oder die Wiso-Finanzsoftware exportiert werden können.
Startup epap plant weitere Schritte im Bereich der Monetarisierung
„Unser Fokus liegt auf dem Endnutzer. Es braucht einen Mehrwert, damit die breite Masse digitale Belege nutzt“, sagt Gruß. Sein Team ist daher im regen Austausch mit den rund 40.000 Usern, die in der App Vorschläge und Verbesserungswünsche schicken können. Aktiv nutzen pro Monat rund acht bis zehntausend User die App – nicht nur in den Großstädten und Ballungszentren. „Wir bekommen Zuschriften aus kleineren Dörfern, die sich mehr Einzelhändler wünschen, die unser System unterstützen. In der Stadt sind solche Möglichkeiten aber natürlich größer“, sagt Ruth Rottwitt, die für Marketing und PR zuständig ist. Durch die Corona-Krise ist einiges bei dem Startup ins Stocken gekommen. Die Gastronomie und auch kleinere Einzelhändler blieben monatelang geschlossen, niemand brauchte eine neue Kassensoftware. Mit den Öffnungen kommen nun wieder neue Kunden dazu. Einen positiven Effekt hatte die Corona-Pandemie allerdings auch: „Es ist jetzt deutlich mehr im Bewusstsein der Bevölkerung, was ein QR-Code ist und wie der verwendet wird“, sagt Gruß.
Im Bereich der Monetarisierung hofft epap in den kommenden Monaten ebenfalls weiter voranzukommen. Aktuell steht das Startup vor dem Abschluss der nächsten Finanzierungsrunde mit Investoren. Langfristig sollen Einnahmen durch die Lizenzgebühr bei den Kassensystem generiert werden. Diese liegen derzeit zwischen 6 bis 12 Euro monatlich pro Kasse. „Auf jeden Fall ist das deutlich günstiger als das Papier und das muss auch unser Anspruch sein“, meint Gruß. Im Bereich der App möchte sich das Startup langfristig im Finanzsektor besser aufstellen. Wer derzeit auf die Zusatz-Features in der App zugreifen möchte, muss sie für 1,99 Euro im Monat dazu buchen. Gruß blickt der Zukunft optimistisch entgegen: „Natürlich ist das Gründen als First-Time-Founder eine Herausforderung. Aber wir vier ergänzen uns sehr gut in unseren Kompetenzen. Jetzt wollen wir weiter wachsen, uns breiter aufstellen und unsere App noch mehr pushen.“
Woher kommt der Name „epap“?
„Der Standardprozess ist vom Baum zum fertigen Kassenbon. Wir wollen hingegen digitale Belege für nachhaltige Zwecke nutzen, den Prozess also quasi umdrehen“, erklärt Gründer Fabian Gruß. Der englische Begriff „paper“ rückwärtsgeschrieben ergibt „repap“. Das „r“ ließ das Start-Up weg, um den Fokus noch mehr auf den elektronischen Aspekt zu setzen. Der Name „epap“, bei dem es sich anfänglich nur um einen Arbeitstitel handelte, war geboren.
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