Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, fordert eine Frischzellenkur für den Industriestandort Deutschland. „Die neue Bundesregierung sollte eine klare Vision davon haben, wie sie die Industrienation und ihre Arbeitsplätze für die kommenden Jahrzehnte rüsten will. Deutschland hat einen größeren Reformbedarf, als es die Wirtschaftsdaten vermuten lassen“, sagte Vassiliadis auf der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft in Hannover. In Deutschland habe sich inzwischen ein Zeitgeist breitgemacht, der Wirtschaft und Industrie pauschal hintertriebene, arrogante Profigier unterstelle. „Die Kampagnen-Maschinen stilisieren Themen zum Glaubenskampf, bei denen es auf eine sachliche, der Komplexität angemessene Diskussion ankäme. Immer nur ganz oder gar nichts, alles oder nichts. Die Welt wird mit jedem Tag komplexer, aber unsere Antworten auf die Herausforderungen werden immer einfacher“, kritisierte der Gewerkschaftsvorsitzende.

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Als Beispiel nannte er Proteste von Aktivisten im Hambacher Forst, ein Wald in der Nähe von Jülich in Nordrhein-Westfalen. Sie kämpfen dort gegen Rodungspläne wegen des Braunkohletagebaus. Hier flogen auch schon Steine. „Da gibt es auch eine seltsame Akzeptanz der Öffentlichkeit“, sagt Vassiliadis und beklagt, dass dort bereits auch Gewerkschaftsmitglieder bei den Auseinandersetzungen verletzt worden seien. Aktivisten seien mit Stahlhelm unterwegs. Dahinter gebe es dann „Relativierungsmaschinen“. Manche bezeichnete die Aktionen dann zum Beispiel als nicht legal, aber legitim. „Und das geht bis hin zu den großen Maschinen wie Greenpeace, die ein Hinterland dafür schaffen. Da muss auch in der Politik eine klarere Kante gezogen werden.“ Auch beim Klagerecht müsste Vassiliadis zufolge wieder ein  Mindestmaß an Betroffenheit nachgewiesen werden. „Dieser Zusammenhang muss wieder hergestellt werden. Denn daraus ein Business zu machen, Fortschritt zu verhindern, finde ich nicht gut.“

Energiewende krankt an politischer Fehlsteuerung

Vassiliadis forderte zudem einen „Neustart der Energiewende“. Er sprach von politischer Fehlsteuerung und einem gesellschaftlichen Mega-Projekt, das komplett aus dem Ruder gelaufen sei. Die Verbraucher befüllten jedes Jahr ein gewaltiges Subventionspaket in Höhe von 25 Milliarden Euro. „Die bis heute aufgelaufenen Kosten und Verpflichtungen summieren sich auf weit mehr als eine halbe Billion Euro.“ Die IG BCE fordert, dass künftig „nicht mehr wie bisher mit der Gießkanne gefördert“ werden soll. Außerdem müsse die EEG-Umlage wegfallen und durch ein steuerfinanziertes Modell ersetzt werden. Wichtig sei hierbei eine soziale Komponente, damit Menschen mit niedrigen Einkommen nicht weiter über Gebühr belastet würden. Die Förderung über die Stromrechnung sorgt Vassialidis zufolge für eine „gigantische Verzerrung“.

Auch bei der Reduzierung der Treibhausgase plädierte Vassiliadis für mehr Augenmaß. Das nationale Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, hält er nicht mehr für erreichbar. „Deshalb begrüßen wir, dass Union und SPD bereit sind, bei diesem Etappenziel nachzujustieren.“ Ein massenhaftes Abschalten von konventionellen Kraftwerken hätte dem IG BCE-Vorsitzenden steigendes Strompreise, Jobabbau und ein Kahlschlag in den Braunkohle-Regionen zur Folge.  „Niemandem ist geholfen, wenn wir uns mit der Energiewende übernehmen. Schließlic erreichen wir in Deutschland schon jetzt bis zum Jahr 2020 CO2-Einsparungen von 32 Prozent, soviel wie kaum ein anderes Land.“