„Ich wünschte manchmal, stärker Herr über den Terminkalender sein zu können“
Eike Holsten (35), CDU-Landtagsabgeordneter aus Rotenburg (Wümme), ist von den Rundblick-Lesern zum „Politiker des Jahres 2018“ gekürt worden. Anlässlich der „Krönung“ in den Räumen des Politikjournals in Hannover hat er der Redaktion ein Interview gegeben.
Rundblick: Herr Holsten, zu der Rede, mit der sie im April zum „Politiker der Woche“ gewählt wurden, sind Sie als Newcomer im Landtag ganz überraschend gekommen. Wie war das damals?
Holsten: Die Bitte, ich solle auf einen Antrag der AfD im Plenum zur Abschiebepraxis reagieren, kam kurzfristig vom innenpolitischen Sprecher der Fraktion. Ich hatte nur wenig Zeit zur Vorbereitung auf meine Jungfernrede – nämlich den knappen Vorabend des Plenums, nach einer Vielzahl Veranstaltungen an diesem Tag. Das ist nicht einfach, schließlich sollte es eine Punktlandung werden, ein Fünf-Minuten-Beitrag mit wesentlichen Botschaften. Wie mir Kollegen später sagten, klappte es wohl auch. Sie meinten, ich hätte die Herausforderung anständig bewältigt.
Rundblick: Das ist eine große Chance für einen Landtagsneuling wie Sie. Es gibt im Parlament sechs Abgeordnete unter 35. Ist das nicht ein bisschen wenig?
Holsten: Nein, aus meiner Sicht sind sechs schon recht viel. Wir Jüngeren aus der CDU vernetzen uns mit Gleichaltrigen der anderen Fraktionen, schließlich hat man auch gemeinsame Interessen. Außerdem gilt für uns Jüngere: Die Chance, dass man sich in den kommenden Jahren immer wieder mal begegnet und miteinander zu tun hat, ist doch recht hoch – und dann sollte ein anständiger Umgang miteinander gewährleistet sein. Wir bemühen uns, und das haut auch recht gut hin.
Rundblick: Werden jüngere Abgeordnete nicht öfter mal belächelt, sagt man ihnen nicht zu oft: Stell‘ Dich mal hinten an, erst haben die Älteren hier Rechte?
Holsten: Die Erfahrung habe ich bei uns in der Fraktion zumindest nicht gemacht…
Wir haben im Landtag eine ziemlich bunte Mischung an vielen Berufen. Das Vorurteil, da gäbe es zu viele Lehrer oder Juristen, stimmt bei näherer Betrachtung gar nicht.
Rundblick: Sie sind Politikwissenschaftler und haben vor Ihrer Zeit im Landtag für Abgeordnete gearbeitet. Ist das nicht ein Nachteil, wäre es nicht besser, man hätte mehr Volksvertreter, die vorher einen anderen Beruf erlernt und ausgeübt haben?
Holsten: Das kann man so oder so sehen. Ja, ich kenne die Erfahrung als Kraftfahrzeugschlosser nicht. Aber ich gestehe mir zu, das politische Geschäft womöglich schon etwas besser zu kennen als andere, die mit falschen Erwartungen eingestiegen sind. Politik besteht oft aus langen Sitzungen in dunklen Räumen und aus Beratungen über komplizierte Akten, die kaum jemand draußen versteht. Da habe ich mir von Anfang an keine Illusionen gemacht. Vielleicht ist das meine Stärke. Außerdem haben wir im Landtag eine ziemlich bunte Mischung an vielen Berufen. Das Vorurteil, da gäbe es zu viele Lehrer oder Juristen, stimmt bei näherer Betrachtung gar nicht.
Rundblick: Gut ein Jahr sind Sie jetzt im Landtag. Was hätten Sie sich anders vorgestellt?
Holsten: Ich dachte schon, dass ich stärker Herr meines Terminkalenders werde sein können. Doch zu den vielen Pflichtterminen in Hannover, in Arbeitskreisen und Ausschüssen und in der Fraktion, kommen noch viele Termine im Wahlkreis, vornehmlich am Wochenende. Da ist viel Präsenz gefordert. Dass ich mich mal für ein paar Stunden ins Büro setzen und in Ruhe an einem Konzept arbeiten kann, kommt doch eher zu selten vor. Das Tagesgeschäft bestimmt zu stark, wie mein Arbeitstag geprägt wird. Fast jeden Abend in der Woche habe ich die Wahl zwischen mindestens zwei Terminen. Das geht alles und macht auch Spaß – aber es fordert seinen Preis.
Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Christ- und Freidemokraten nach Feierabend zueinander finden.
Rundblick: Was kann man anders machen in der Landtagsarbeit?
Holsten: Ob es ratsam ist, die Haushaltsdebatten im Plenum so ausführlich zu gestalten wie im vergangenen Dezember, ist doch fraglich. Manche Redeschlachten sind dann schon zum dritten oder vierten Mal in Wiederholung geführt worden. Außerdem gibt es manche Besprechungen in Hannover, für die es sich nicht lohnt, die Parlamentarier aus allen Wahlkreisen nach Hannover zu holen. Hier sollte man stärker die Möglichkeit nutzen, die Leute über Skype zuzuschalten.
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Rundblick: Ist die Sprache der Politiker eigentlich zu technokratisch, zu abgehoben und nicht mehr wirklichkeitsnah? Erleben Sie, dass Ihnen Bürger distanziert gegenübertreten?
Holsten: Das Problem habe ich nicht. Hin und wieder sind mal Bürger aggressiv, aber das sind Einzelfälle. Sonst ist es immer angenehm, am Wochenende im Wahlkreis beim Brötchenkaufen mit den Leuten zu plaudern. Was ich aber schon feststelle: Kommunale und bundespolitische Themen interessieren die Menschen viel mehr als landespolitische. Erst wenn ich erkläre und sage, dass für Polizei, Krankenhäuser oder Schulpolitik die entscheidenden Dinge im Landtag geregelt werden, horchen die Leute auf. Vielleicht müssen wir die Bedeutung der Landespolitik den Menschen noch besser vermitteln.
Rundblick: Wenn der politische Streit vorüber ist, mit wem trifft man sich dann zur lockeren Runde – vornehmlich mit den Freunden vom Koalitionspartner SPD?
Holsten: Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Christ- und Freidemokraten nach Feierabend zueinander finden. Das ergibt sich sehr oft so – warum, weiß ich auch nicht.