Darum geht es: Die Kernmarke Volkswagen schwächelt, andere VW-Konzerntöchter liefern im Geschäftsjahr 2016 dagegen gute Ergebnisse. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Mehr als 217 Milliarden Euro Umsatz (plus zwei Prozent), 10,3 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge (Platz 1 vor Toyota), dabei allein in China ein Plus von über 12 Prozent und eine Steigerung bei der operativen Rendite des Gesamtkonzerns. Was gibt es bei Volkswagen im Geschäftsjahr eigentlich zu meckern? Wie bei einer Großfamilie gehen die Schwierigkeiten in all dem Gewusel oftmals ein wenig unter. Im Großen und Ganzen können Volkswagen und die Anleger trotz Dieselgate mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Baustellen gibt es dennoch.

„Trotz einer insgesamt mehr als stabilen Grundlage ist die Zukunft des Gesamtkonzerns nicht ohne Risiko“ – Foto: Jakob Brüning

Dabei sollte der Sorgenkind-Status nicht immer automatisch der Kernmarke Volkswagen angeheftet werden. Ja, eine Rendite von 1,8 Prozent (2015: 2,0 Prozent) ist enttäuschend und bestimmt steigerbar. Auf der anderen Seite resultieren die guten Ergebnisse anderer Konzernmarken aus der Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei Volkswagen, und auch diese Kosten drücken nun einmal auf die Rendite. Anstatt also die Kernmarke als Problemfall abzustempeln, sollte vielmehr der Nutzen für den Gesamtkonzern gesehen werden. Die Autos von Skoda laufen immer noch wie geschnitten Brot, das einstige Sorgenkind Seat erholt sich zusehends. So lässt sich eine niedrigere VW-Rendite gelassen einpreisen.

Viel problematischer ist die Entwicklung der Konzerntochter Audi. Hier sank die operative Rendite auf 8,2 Prozent und liegt damit spürbar hinter den Konkurrenten BMW und Mercedes. Neben der flauen Rendite droht Audi auch bei Technik und Design abgehängt zu werden. Das über viele Jahre aufgebaute „Vorsprung durch Technik“-Image wird schon seit mehreren Jahren nicht mehr durch Innovationen unterfüttert. Und auch beim Design scheint Audi in eine Sackgasse geraten zu sein. Die Konkurrenz aus München und Stuttgart hat in beiden Bereichen offenbar mehr Entwicklungspotenzial.

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Trotz einer insgesamt mehr als stabilen Grundlage ist die Zukunft des Gesamtkonzerns nicht ohne Risiko. Im vergangenen Jahr seien „die Weichen für die größte Transformation in der Geschichte“ des Unternehmens gestellt worden, sagte Vorstandschef Matthias Müller und verwies dabei unter anderem auf den Stufenplan „zur Erlangung der Technologieführerschaft bei Batterien“. Größte Transformation der Geschichte, Technologieführerschaft: Eine Nummer kleiner haben sie es bei VW nicht. Mit dem Fokus auf Elektromobilität geht Volkswagen eine Hochrisiko-Wette auf die Zukunft ein. In Niedersachsen wird über den Bau einer Batteriefabrik diskutiert, obwohl niemand weiß, ob (und welche) Batterien irgendwann überhaupt einmal benötigt werden. Die Zukunft dieser Technologie steht nach wie vor in den Sternen und ob sich am Ende in der Breite nicht doch die Brennstoffzelle oder ein alternativer Kraftstoff durchsetzt, ist noch nicht abzusehen.

Sträflich vernachlässigt wird dabei nicht nur von VW, sondern von allen deutschen Herstellern die Hybrid-Technologie. Statt dem Wolkenkuckucksheim E-Mobilität nachzujagen, an dem noch die ungeklärte und komplexe Frage der Ladeinfrastruktur hängt, wären mit mehr Hybrid-Motoren schon seit mehreren Jahren deutlich niedrigere Verbrauchs- und Emissionswerte bei neuen Autos möglich. Wer also im Jahr 2025 „weltweit führender Anbieter nachhaltiger Mobilität“ sein möchte, wie es Matthias Müller formuliert, der wäre gut beraten, das bereits jetzt technisch Machbare in den Fokus zu nehmen. Ein Blick nach Japan könnte dabei weiterhelfen.

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