Hauptsorge: Nachwuchsmangel
„Niedersachsen ist ein Land mit Potenzial“, „ökonomisch ist Niedersachsen so stark wie nie“ und „in Niedersachsen ist man optimistisch beim Blick in die Zukunft“: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Ministerpräsident Stephan Weil und Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Verbands Niedersachsenmetall sind sich einig, wenn es um die wirtschaftliche Lage des Landes geht. Doch wo liegen die Schwächen? Wo ist noch mehr möglich? Und was könnte sich in den kommenden Jahren als Bremse entwickeln? Darüber diskutierten Schmidt, Weil und Hüther gestern bei den Celler Schlossgesprächen. Dabei spielten Überlegungen zu US-Präsident Donald Trump und seine Schläge gegen die europäische Wirtschaft ebenso eine Rolle wie das Dauerbrenner-Thema des Fachkräftemangels.
Schmidt machte die Problematik der fehlenden Arbeitskräfte für die niedersächsische Wirtschaft deutlich, indem er einige Zahlen aus der jüngsten Umfrage unter den Metall- und Elektrounternehmen vorstellte. „33 Prozent der von uns befragten Betriebe haben Produktionsengpässe aufgrund des Fachkräftemangels“, sagte Schmidt. „Sie können Aufträge nicht annehmen, weil ihnen schlicht das Personal zur Bearbeitung fehlt.“ Diese Zahl sei vor allem deshalb so gravierend, weil sie sich innerhalb des vergangenen Jahres so verschärft habe. „Bislang hatten vier bis sechs Prozent unserer Unternehmen Schwierigkeiten durch fehlendes Fachpersonal. Anfang 2017 sprachen davon schon elf Prozent. Und seitdem hat sich die Zahl verdreifacht“, sagt Schmidt. Auch Weil bestätigte, dass der Fachkräftemangel mittlerweile in nahezu allen Branchen eine Rolle spielt. „Wenn ich jetzt mit Unternehmern spreche, höre ich fast immer eine Bitte: „Herr Ministerpräsident, sorgen Sie für qualifizierten Nachwuchs.“
Aus Sicht des Ministerpräsidenten hilft dagegen in erster Linie Bildung. „Unsere Planungen zur beitragsfreien Kita sind dabei auch ein Baustein. Denn sie sollen nicht nur Familien entlasten, sondern Kinder auch so früh wie möglich in ein gutes Bildungssystem bringen“, sagte Weil. Schmidt dagegen sieht das Problem nicht in der frühkindlichen Bildung, sondern hauptsächlich darin, was nach der Schule kommt: „Es herrscht zurzeit ein Studienhype, den es in dieser Form noch nicht gegeben hat.“ Kaum jemand ziehe noch eine handwerkliche Ausbildung in Betracht, weil junge Menschen die Schule in dem Glauben verließen, nur mit einem Studium ließe sich Karriere machen. „Das wird dadurch gefördert, dass die Berufsschulen in ihrer Ausstattung und ihres Lehrplans teilweise so veraltet sind, dass sie die Lehre noch unattraktiver erscheinen lassen“, sagt Schmidt.
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Diesen Trend bestätigte auch Aline Henke, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg und Geschäftsführerin des Automobilzulieferers Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung. „Wir haben immer sechs bis acht Auszubildende, aber wir müssen mittlerweile sehr viel in die Ausbildung investieren.“ Zum einen, weil die Berufsschulen das geforderte Wissen nicht mehr ausreichend vermittelten; zum anderen, weil die klugen Köpfe an die Uni statt in die Lehre wechselten. Weil versprach, dass die Politik sich dieses Themas annehmen werde. Allerdings sei der Ansturm auf die Studienplätze in Niedersachsen nicht nur negativ zu betrachten. „Noch vor einigen Jahren verließen viele junge Menschen Niedersachsen ganz, um im Ausland zu studieren und zu arbeiten. Daher sind die hierzulande mittlerweile gestiegenen Studierendenzahlen auch eine gute Entwicklung.“
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Ein weiteres Thema, das an diesem Abend beschäftigte, waren die Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump jüngst auf ausländischen Stahl und Aluminium verhängt hatte. Hüther, der gerade von einem Besuch in den USA zurückkam, berichtete von einer gespaltenen Stimmung in der amerikanischen Politik. „Auch unter den Republikanern ist dieser Schritt hochumstritten.“ Schmidt prognostizierte, dass Trump die Strafzölle nicht ewig aufrechterhalten könne. „Aber es wird am Ende eine Situation entstehen, in der beide Seiten verlieren.“ Diese Ansicht teilt auch Weil. Die Wirtschaft von Europa und den USA sei so eng verflochten, dass es bei einem Handelskrieg gar keine Gewinner geben könne.