Hannovers Oberbürgermeister rückt von engen Vertrauten ab
In der hannoverschen Rathausaffäre, bei der es um unzulässige Sonderzulagen an zwei hohe Mitarbeiter der Stadtverwaltung geht, hat Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) sein wochenlanges Schweigen gestern gebrochen. Vor dem Rat der Landeshauptstadt erklärte er am Abend, dass er sich gegenüber der Staatsanwaltschaft ausführlich geäußert hat. Es steht der Vorwurf im Raum, Schostok habe von den rechtswidrigen Zulagen gewusst, insbesondere von der Aufstockung des B2-Gehalts seines bisherigen Büroleiters Frank Herbert auf ein faktisches B5-Gehalt.
Die Justizbehörde ermittelt den OB und gegen Herbert wegen des Verdachts der Untreue. Die offenbar noch bis vor Kurzem gezahlten Zulagen stehen nach Mitteilung des niedersächsischen Innenministeriums nicht im Einklang mit den beamtenrechtlichen Vorschriften. Herbert hatte im April 2017 – erfolglos – versucht, die seit 2015 gewährte Zulage noch weiter zu erhöhen, sodass ein B7-Gehalt dabei herausgekommen wäre. In einer Mail, die Herbert am 5. April 2017 an den damaligen Personaldezernenten Harald Härke richtete, ist diesbezüglich von einem „Gespräch mit dem Oberbürgermeister“ am Vortag die Rede. Dies weckte den Verdacht, der OB sei in die Besprechungen zu Herberts Gehaltsvorstellungen eingebunden gewesen.
„Keine Kenntnis von rechtswidriger Lösung“
Schostok erklärte gestern vor dem Rat, im Gegensatz zu der Darstellung in der Mail von Herbert nicht hinzugezogen worden zu sein: „Weder war ich aktiv an der Suche nach einer solchen Möglichkeit beteiligt, noch habe ich eine gefundene rechtswidrige Lösung inhaltlich mitgetragen. Ich habe vielmehr keine Kenntnis davon gehabt, dass eine zwischen Herrn Dr. Herbert und Herrn Härke ausgehandelte Lösung offenbar rechtswidrig war.“
Wie sich Härke und Herbert zu dieser Darstellung von Schostok verhalten, war am gestrigen Donnerstag im Rat der Stadt Hannover nicht zu erfahren. Härke wurde vergangene Woche vom Verwaltungsausschuss suspendiert worden, Herbert befindet sich derzeit im Urlaub.
Vor dem Rat erklärte Schostok, dass er „über keine spezifischen beamtenrechtlichen Kenntnisse verfüge“ und deshalb nicht nachgehakt habe, als Herbert ihm 2015 mitgeteilt habe, seinen Wunsch nach einer Mehrarbeitsvergütung mit Härke „zufriedenstellend gelöst“ zu haben. Dass im Rathaus schon seinerzeit rechtliche Bedenken gegen die Zulage formuliert worden seien, habe er nicht gewusst. Schostok sagte, dass er erst im August 2017 von Härke davon erfahren habe, dass es „rechtliche Bedenken“ gegen Herberts Zulage gegeben habe.
Schostoks Erklärung wirft neue Fragen auf
An dieser Stelle allerdings wirft Schostoks Erklärung nun weitere Fragen auf. Er erklärte im Rat: „Ich habe bis August-September 2017 nicht gewusst, dass die Zahlung einer Zulage an Beamte mit einer B-Besoldung unzulässig sei.“ Laut Mitteilung der Stadt hat diese aber noch im Oktober 2017 entschieden, die Sonderzulage an Herbert um ein Jahr zu verlängern. Schostok sagte, nach ersten Hinweisen von Härke auf die rechtlichen Bedenken gegen die Zulage nicht etwa selbst aktiv geworden zu sein, sondern er habe Herbert, den Empfänger der Zulage, um die Klärung gebeten.
Damit gibt Schostok nun zu, selbst nach Kenntnis über die Fragwürdigkeit der Geldzahlung die Aufhellung der Vorgänge nicht in eigene Hände genommen zu haben. Bekannt wurde der Fall dann erst viel später, nachdem Herbert selbst den Fall öffentlich machte und daraus den Vorwurf des Geheimnisverrats an die Adresse von Härke ableitete.
Brüche in der Ampel-Koalition sichtbar
In der Ratssitzung zeigten sich Brüche in der Ampel-Koalition, die Schostok trägt. Patrick Döring (FDP) forderte die Aufhellung von bisher gezahlten 2500 tariflichen Zulagen und 226 Beamten-Zulagen innerhalb der hannoverschen Stadtverwaltung, verschonte aber erkennbar den OB. „Ende des Sommers sind wir schlauer, wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgegangen sein werden“, sagte Döring, was ihm einen Zwischenruf von Maximilian Oppelt (CDU) einbrachte: „Die FDP als Steigbügelhalter des Systems.“ Grünen-Ratsfraktionschefin Freya Markowis meinte, die Affäre stimme sie „traurig“, Schostok solle „in Urlaub gehen und damit die Situation beruhigen“.