Das Handwerk in Niedersachsen sucht händeringend nach Fachkräften. „Der Markt für qualifizierte Handwerker ist wie leergefegt“, sagte der neue Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages (NHT), Mike Schneider. Er befürchtet, dass das einen negativen Einfluss auf die künftigen Geschäfte haben wird. „Der Wettbewerb um gute Köpfe verschärft sich massiv. Unter diesen Umständen ist Wachstum definitiv schwierig“, so Schneider. Auch die Kunden bekämen den Fachkräftemangel zu spüren. An manchen Orten müssten sie sich teilweise auf Wartezeiten von mehreren Wochen einstellen. „Zum Teil müssen Betriebe sogar lukrative Aufträge ausschlagen, weil die Mitarbeiter dafür fehlen. Diese Entwicklung habe ich meiner 20-jährigen Berufszeit noch nicht erlebt.“

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Laut einer aktuellen Umfrage hatten im vergangenen Jahr 40 Prozent der Handwerksbetriebe Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu besetzen. Bei 80 Prozent sei ein Rückgang der Bewerberzahlen zu beobachten gewesen. Schneider macht dafür unter anderem einen „Akademisierungswahn“ verantwortlich. „Hohe Akademikerquoten sind für sich betrachtet kein Erfolgsindikator. Wenn bei schrumpfenden Gesamtzahlen ein immer größerer Anteil junger Menschen studiert, stehen überproportional weniger junge Menschen für eine Ausbildung zur Verfügung.“ Im vergangenen Jahr wurden im niedersächsischen Handwerk rund 16.400 Ausbildungsverträge abgeschlossen, 1,2 Prozent weniger als im Vorjahr.

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Der NHT fordert unter anderem eine konsequenten Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen und eine bessere Unterstützung der Jugendberufsagenturen. Dazu müssten den Agenturen die persönlichen Daten der Schüler, also Adresse, Telefonnummer und Informationen aus der Kompetenzfeststellung, zur Verfügung stehen. Bisher dürfen die Schulen ohne Einverständniserklärung der Eltern oder des Schülers die Daten nicht an die staatlichen Träger wie Jugendberufsagenturen, Agentur für Arbeit oder Jobcenter weiterreichen. „Der Datenschutz darf nicht gegen eine effektive Vermittlung ausgespielt werden“, sagt Schneider. Er fordert, das Schulgesetz entsprechend zu ändern.

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Auch Flüchtlinge mit Bleiberecht müssten stärker an Qualifizierung und Ausbildung herangeführt werden. Bisher hätten 7.400 Flüchtlinge einen Job gefunden, die meisten würden aber als Helfer eingesetzt. „Nur jeder Achte kann seine Fähigkeiten bisher als Fachkraft einbringen. Das ist viel zu wenig“, moniert Schneider. Nur über eine Qualifizierung sei eine echte Integration zu erreichen.

Der Politik stellt der niedersächsische Handwerkstag (NHT) teilweise schlechte Noten aus. Einer NHT-Umfrage zufolge wünschen sich fast drei Viertel der Betriebe das Thema Bildung als Schwerpunkt bei den anstehenden Wahlen. Neben der Kritik an einer zu starken Fokussierung auf das Studium bemängelte Schneider auch die Qualität der Schulausbildung. „Es gibt Lücken bei der Allgemeinbildung“, so der NHT-Präsident. Es fehlten Grundfertigkeiten. So seien junge Menschen zum Teil nicht in der Lage, eine Fläche zu berechnen. „Das müsste man in der Schule eigentlich lernen“, meint Schneider.

Auf Platz zwei der wichtigsten Themen liegt bei den Handwerksbetrieben die Wirtschaftspolitik. Hier wird vor allem zu viel Bürokratie kritisiert. Viele Betriebe fühlten sich drangsaliert von Dokumentations- und Nachweispflichten. Schneider nannte als Beispiel die Diskussion um HBCD-haltige Dämmstoffe, die im Oktober als giftiger Stoff eingestuft wurden. Das führte zu einem Entsorgungsproblem. Schneider forderte, bis Mitte 2017 Transparenz zu schaffen, wo und zu welchem Preis Dämmstoffe in Zukunft entsorgt werden können. Ebene harte Kritik übte der NHT-Präsident an der Tourismusabgabe. Sie treffe die Betriebe wie eine zweite Gewerbesteuer.  Die Abgabe ziehe auch noch einen erheblichen bürokratischen Rattenschwanz nach sich. „Im Jahr 2010 hat der Ministerpräsident noch gesagt, das Gemeindesteuerwesen müsse gerechter werden. Aber noch immer muss der Malermeister Gewerbesteuer zahlen, aber sein Steuerberater nicht. Vielleicht sollte man daran mal etwas ändern, bevor man sich an eine völlig überflüssige und bürokratische Zusatzabgabe macht.“